Donnerstag, 6. September 2007

Weitere postchristliche Hoffnungen

Ein Beitrag von Don Ralfo hat mich daran erinnert, wie es damals war, als wir Jesus-People genannt wurden. Wir machten Fehler und wurden Opfer von Fehlern, das eine mag häufig das andere verursacht haben. Die Folgen waren leider manchmal unumkehrbar. Don Ralfo berichtet über Manfred; ich könnte zahlreiche ähnliche Begebenheiten erzählen.

Wir hatten Ambitionen, waren mit Wasser und Geist getauft und wollten unsere Generation für Jesus gewinnen. Dabei blieben etliche aus unseren Reihen auf der Strecke. Warum?
Ich meine, dass unser größtes Problem ein Vakuum war, wo geistliche Eltern hätten sein müssen. Geistliche Zuchtmeister und Lehrer gab es genug. Von den langen Haaren angefangen über die Kleidung bis zum Musikgeschmack wurden wir belehrt und kritisiert. Mit Argumenten, für die sogar Bibelzitate aus ihrem Zusammenhang gerissen als Beleg herhalten mussten.

Die Bibel sagt, dass Frauen keine Männerkleidung tragen dürfen. Wenn du als Junge lange Haare hast, ist das genau das selbe.

Mehr als einmal habe ich so etwas gehört. Noch und noch. Wieder und wieder. In vielen Varianten.

Ein Christ raucht nicht.
Ein Christ hört nicht die Beatles.
Ein Christ masturbiert nicht.
Ein Christ liest keine Bücher von XYZ.
Ein Christ...

Was unterscheidet Eltern von Zuchtmeistern und Lehrern? Doch wohl die Liebe, die sich auch in Annahme äußert. Trotz der Fehler, die ein Kind macht, trotz des unmöglichen Benehmens, trotz der Wissenslücken werden Eltern ihr Kind nicht hinauswerfen, sondern trotz und bei aller notwendigen Belehrung und aller berechtigten Kritik werden sie vermitteln: Du bist geliebt, so wie du bist, ohne Abstriche. Du musst nicht erst was leisten und beweisen, bevor du angenommen und geliebt wirst.

Es gab etliche Gemeinden und Kirchen, in denen wir nicht willkommen waren. Missbilligende Blicke, gerümpfte Nasen, demonstratives Abrücken waren noch die harmlosen Reaktionen. Selbst in Gemeinden, die etwas toleranter waren, blieben wir unter uns, als "Jugend" isoliert und selten ernst genommen.
Natürlich ist das nicht rundum verkehrt. Jugendliche wollen ja unter sich sein, Erwachsene sind nicht jederzeit willkommen, das ist auch gut so. Aber wenn es ringsum nur oder überwiegend abweisende, ablehnende Erwachsene gibt, dann ist das nicht mehr gut so. Dann kann man nämlich niemanden um Rat fragen, um Hilfe bitten. Einen Lehrer oder Zuchtmeister wird man nicht bezüglich innerer Nöte und quälender Ungewissheiten befragen, man würde ja doch nur eine weitere Moralpredigt zu hören bekommen.

Ich hatte einen Großvater, Pastor von Beruf, bei dem ich jederzeit in jedem Zustand willkommen war. Mit allen Fragen, Zweifeln, aller Rebellion und allem Frust. Mein Großvater hieß nicht alles gut, was ich dachte oder tat, aber ich wusste immer, dass seine Liebe nicht gemindert war, wie unmöglich ich mich auch aufführte.
Einige von uns blieben auf der Strecke, wie der Manfred, von dem Don Ralfo berichtet. Wären da geistliche Eltern gewesen, hätte manches Scheitern verhindert werden können. Aber da war niemand, der einen Ausweg geöffnet hätte.

Meine Hoffnung ist, dass wir, die Jesus-People von damals, nicht die Fehler wiederholen, die wir erlebt haben.
Zum Beispiel las ich neulich einen gehässigen Kommentar über die Jesus-Freaks, sinngemäß stand da, dass die Fäkalsprache dieser Leute ja wohl Indiz genug sei, dass sie einem "Geist von Unten" angehören würden. Ich hörte vor einigen Wochen, wie jemand nach dem Gottesdienst einem Jugendlichen mitteilte, er solle sich erst anständig kleiden, bevor er anderen von Gott erzählen will. Ich erinnere mich mit Grausen an den Kommentar "...also in meiner Bibel steht nichts von wilder Ehe" zum Bekehrungsbericht einer jungen Frau, die voller Freude erzählt hatte, wie sie und ihr Lebensgefährte Jesus kennen gelernt hatten - ohne verheiratet zu sein...

Wir brauchen in unserer postchristlichen Zeit eine Gemeinde, in der Menschen willkommen sind, so wie sie kommen. In der sie zunächst geistliche Milch, dann geistlichen Haferbrei, später geistliche Steaks oder Pizza bekommen, ob nun Harry Potter in ihrem Bücherregal steht oder nicht. Sie werden sich, Annahme und Liebe vorausgesetzt, früher oder später aus freien Stücken von ihm verabschieden. Ich hoffe, dass eine solche Gemeinde entsteht.