Donnerstag, 15. November 2007

Vom Vorteil, ein Esel zu sein

In der Bibel finden wir eine wundersame Eselin, die ihrem Reiter ziemlichen Verdruss macht und dafür Schläge erntet.

Insgesamt ist die Geschichte (4. Mose) ziemlich verwickelt. Bileam, der Reiter des störrischen Tieres, wohnt in Mesopotamien und muss wegen seiner Weissagungen bekannt gewesen sein, denn als die Israeliten nach ihrem Sieg über die Ammoniterkönige östlich vom Jordan lagern, schickt der Moabiterkönig Balak seine Boten zu ihm. Er bittet Bileam zu kommen und Israel zu verfluchen. Ihm ist bekannt, dass sein Wort eintrifft. Er sagt:
Denn ich habe erkannt: wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht. (4. Mose 22, 6)
Die Gesandten hatten einen längeren Weg von etwa 20 Tagereisen zurückgelegt, doch Bileam weigert sich, mitzuziehen. Er hatte nämlich klare Anweisungen:
Und Gott sprach zu Bileam: Du sollst nicht mit ihnen gehen; du sollst das Volk nicht verfluchen! Denn es ist gesegnet.
Balak gibt sich mit der Ablehnung nicht zufrieden, und neue, vornehmere Boten erreichen schließlich, dass Bileam doch mitkommt. Gott gesteht es ihm unter einer Bedingung zu:
Wenn die Männer gekommen sind, um dich zu rufen, mache dich auf, geh mit ihnen! Aber nur das, was ich dir sagen werde, darfst du tun!
Was sich dann ereignet, mutet zunächst widersprüchlich an. Gott hatte gerade gesagt, dass Bileam mit ihnen gehen solle, und dann lesen wir:
Da entbrannte der Zorn Gottes, dass er ging.
Was soll das?

In 2. Petrus 2, 15 finden wir eine Erklärung. Petrus schreibt hier über die falsche Gesinnung mancher Propheten. Dabei führt er aus:
Sie sind abgeirrt, da sie den geraden Weg verlassen haben, und sind nachgefolgt dem Weg Bileams, des Sohnes Beors, der den Lohn der Ungerechtigkeit liebte, aber eine Zurechtweisung der eigenen Gesetzlosigkeit empfing: ein stummes Lasttier redete mit Menschenstimme und wehrte der Torheit des Propheten.
Im Judasbrief lesen wir über Irrlehrer in der Gemeinde:
Wehe ihnen! Denn sie sind den Weg Kains gegangen und haben sich für Lohn dem Irrtum Bileams völlig hingegeben.
Bileam zieht nicht mit den vornehmen Boten, um zu tun, was Gott ihm auftragen wird, sondern um des versprochenen Lohnes willen. Deshalb entbrennt der Zorn Gottes, und der Engel des Herrn tritt ihm "als Widersacher in den Weg."

Nun handelt seine Eselin, die mehr Weisheit zu haben scheint als ihr Besitzer: Sie erkennt den Engel Gottes und redet schließlich mit ihrem Reiter.
Da öffnete der HERR den Mund der Eselin, und sie sagte zu Bileam: Was habe ich dir getan, dass du mich nun schon dreimal geschlagen hast?
Vielleicht noch erstaunlicher als diese plötzliche Sprachbegabung des Reittieres ist Bileams Reaktion darauf. Er erschrickt nicht darüber, dass die Eselin sprechen kann, er wundert sich nicht, dass hier Unerhörtes geschieht, sondern:
Bileam sagte zu der Eselin: Weil du Spott mit mir getrieben hast. Hätte ich doch ein Schwert in meiner Hand! Gewiss hätte ich dich jetzt erschlagen!
Dieser Prophet scheint etwas begriffsstutzig zu sein.
Und die Eselin sagte zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis zum heutigen Tag? War es je meine Gewohnheit, dir so etwas zu tun? Und er sagte: Nein.
Bileam versteht immer noch Bahnhof. Nun öffnet Gott seine Augen und er erkennt nicht nur den Engel mit dem gezogenen Schwert, sondern auch, dass er gesündigt hat. Er will umkehren. Aber der Engel fordert ihn auf, weiterzuziehen, legt ihm jedoch erneut besonders nahe, nur das zu reden, was Gott ihm sagen wird.

Für Balak hat Bileam dann eine Überraschung parat: Er spricht keinen Fluch, sondern nur Segen über Israel aus. Zumindest soweit hat Bileam verstanden, dass er auf dem falschen Weg gewesen war.

Doch obwohl Gottes Geist ihn erfüllt (4. Mose 24,2) und Bileam Gottes Worte erkennt und weitersagt, gibt er später den Midianitern, den Nachbarn und Verbündeten Moabs und auch Balak den Rat, Israel zum Abfall vom Herrn und zum Götzendienst zu verleiten (4. Mose 31,16). Schließlich wird Bileam in einer Schlacht getötet, obwohl er sich eigentlich gewünscht hatte, den "Tod der Aufrichtigen" zu sterben (4. Mode 23,10).

Im Neuen Testament ist Bileams Name ein Sinnbild der Habsucht und der Teilnahme an heidnischen Kulten (2. Petrus 2,15 und Judas 11). Er diente dem Herrn als Werkzeug, war mit Heiligem Geist erfüllt und versagte später auf der ganzen Linie - mit weitreichenden Folgen. In der Offenbarung lesen wir:
Aber ich habe ein weniges gegen dich, dass du solche dort hast, welche die Lehre Bileams festhalten, der den Balak lehrte, eine Falle vor die Söhne Israels hinzustellen, so dass sie Götzenopfer aßen und Unzucht trieben. (Offenbarung 2, 14)
Es gibt Situationen im Leben, bei denen wir wie Bileam beim Ritt auf der Eselin reagieren. Wir kennen den Herrn, haben seine Stimme gehört, vermeintlich oder tatsächlich seine Erlaubnis für ein Vorhaben bekommen - und dann stellt sich ein Engel in unseren Weg, um uns vor schlimmen Folgen zu bewahren. Anstatt aufmerksam zu werden, unsere Motivation zu überprüfen, Gott um weiteren Rat zu fragen, prügeln wir die Eselin. Wir könnten innehalten, aber unsere Sturheit will voran. Wir sind blind für die geistliche Realität - sehen nicht den Engel mit dem gezogenen Schwert.

Wäre es da nicht besser, ein Esel oder eine Eselin zu sein? Offene Augen zu haben, und nicht in das hinein zu rennen, wovor uns Gott gerade bewahren möchte?

Es gibt solche Situationen. Es gibt aber auch den Widerstand des Teufels bei einem Vorhaben, das richtig ist. Um solchen Widerstand zu überwinden, sind natürlich andere Schritte notwendig - aber auch oder gerade dann ist es notwendig, zuerst zu Gott zu kommen und seinen Rat einzuholen.

Wenn du also in einer Lage bis, in der alles wie festgefahren wirkt, dann sei ein Esel oder eine Eselin. Bewahre deine geistliche Sicht oder lass dir, wenn du sie verloren hast, von Gott die Augen öffnen, damit du die Umstände richtig sehen und entsprechend handeln kannst. Verbringe lieber zwei Stunden im Gebet und mit der Bibel, als 20 Minuten mit blindwütigen Bemühungen, die Eselin in Bewegung zu setzen.

Womöglich ist gar nicht das Tier störrisch, sondern der Mensch, der darauf sitzt?