Freitag, 16. Mai 2008

Die sind ja besoffen...

...kommentierten die Touristen das, was sie miterlebten: Eine Gruppe von Menschen, die alle Anzeichen eines Rausches zeigten. Es hatte ziemlichen Radau gegeben, daher war man zusammengeströmt. Man betrachtete das Spektakel und gab distanzierte und abwertende Beurteilungen zum Besten.
Sehr viele Leute aus der Stadt kriegten das irgendwie mit, von überall kamen sie angerannt. Was keiner von den Ausländern auf die Reihe kriegen konnte, war, wie die Apostel in ihrer eigenen Sprache reden konnten! „Das geht ja gar nicht!“, riefen die total fertig. „Das sind doch alles Leute aus Galiläa, das kann doch gar nicht angehen, dass die unsere Muttersprache auf einmal draufhaben? Egal ob wir aus Persien stammen, Meder sind oder Elamiter. ... Völlig verdattert konnten sie überhaupt nicht kapieren, was da gerade los war: „Was hat das zu bedeuten?“ Ein paar Leute verarschten sie aber auch und meinten: „Die sind doch alle völlig bekifft!“ (Apostelgeschichte 2, 6-13 aus der Volxbibel)
Auch heute geschieht gelegentlich etwas, was aussieht wie »völlig bekifft«, etwas, was der Verstand erst mal nicht so recht begreifen kann.
Zur Zeit in Lakeland, einer Stadt in Florida. Man kann sich die Übertragungen anschauen, mit dem Kopf schütteln und seine abfälligen Urteile fällen. Man kann aber auch fragen: »Was hat das zu bedeuten?«
Könnte es sein, dass Gott seinen Geist nicht nur vor rund 2000 Jahren ausgegossen hat, sondern dass er es auch heute tut? Sein Werkzeug wäre dann in diesem Fall kein distinguierter Herr in dunklem Anzug, sondern ein über und über mit Tätowierungen verzierter Rabauke, ein Harley-Davidson-Fan, Starbucks-Stammgast und CSI-Bewunderer, den ich vor ein paar Jahren selbst einmal getroffen habe: Todd Bentley.
Wir haben damals einen Nachmittag zusammen verbracht. Er wirkte natürlich, aufgeschlossen, voller Liebe zu den Menschen und frei von Allüren wie sonst kaum jemand, den ich kenne. Nicky Cruz hatte ich seinerzeit ähnlich erlebt...
Gott hat nicht immer jemanden ausgesucht, der in das Bild passt, das wir Menschen uns gerne von einem »Diener Gottes« machen. Ob nun Johannes der Täufer, den man für völlig durchgedreht hielt, oder Mose den Stotterer, ob nun einen ruppigen Fischer wie Simon Petrus oder einen betrügerischen Steuereintreiber wie Matthäus.

Gott schaut sich das Herz an, und wenn er eins findet, das für ihn brennt, genauso für die Verlorenen brennt, dann ist alles möglich, ob es nun unserem gesitteten Geschmack entspricht oder nicht. So wie jetzt vielleicht in Lakeland. Es bleibt abzuwarten, ob dies ein Strohfeuer ist oder nicht...

Ist Gott ein Mafia-Boss?

Im Hausbibelkreis sprachen wir am Mittwoch unter anderem über die Geschäftemacherei, die flugs rings um die Ausgießung des Heiligen Geistes in einer Kleinstadt in Florida entstanden ist. Darüber kamen wir auch ins Gespräch über das Geldsammeln an und für sich. Den Auftritt eines nicht ganz unbekannten Evangelisten vor ein paar Monaten in unserer Stadt charakterisierte eine Teilnehmerin des Hausbibelkreises, die dabei gewesen war, mit den Worten »das war, als würden Ablassbriefe verkauft«.

Dabei fiel mir ein Zitat ein, das ich kürzlich bei Kerstin fand:
Manche Pastoren lehren den Zehnten so, als ob Gott ein Mafia-Boss wäre, dem man Schutzgelder zahlen muss, damit einem im Leben nichts Schlimmes passiert. Und wenn man im Leben ein Unglück erlebt, wird gleich gefragt, ob man den Zehnten gezahlt hat. Und der Pastor fährt Porsche.
Auch wenn der Pastor nicht Porsche fährt, sondern VW oder gar kein Auto... - Der Apostel Paulus zog es vor, zu arbeiten, statt den Menschen auf der Tasche zu liegen, denen er das Wort Gottes brachte. Andererseits nahm er von den Mazedoniern gerne Unterstützung entgegen, um eben diesen Dienst für andere kostenlos tun zu können (siehe 2. Korintherbrief).

Häufig wird im Rahmen der »Opfer«sammlung in einer Reihe von Gemeinden aus diesem Schreiben zitiert:
Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruß oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott. (2. Korinther 9, 7)
Natürlich zitiert man ihn ohne seinen Zusammenhang. Da müsste man ja dann auch jene Passagen vorlesen, in denen der Apostel auf wunderbar satirische Weise über das Geldeinnehmen schreibt.

Ist es nicht merkwürdig, dass die Gemeinde Jesu Christi häufig dort besonders stark wächst und sich ausbreitet, wo man wegen der Umstände weder Gemeindezentren, noch Kirchengebäude errichten kann, wo der Prediger auch kein Gehalt als Pastor bezieht. In China beispielsweise. Dort, wo man Gefängnis und Verfolgung zu fürchten hat, wenn man Christus nachfolgt.

Zweifellos: Auch ein Pastor, Evangelist, Apostel, Prophet oder sonst für die Gemeinde tätiger Mensch muss leben. Darf Geld haben. Muss nicht hungern müssen. Jeder Komfort, den er womöglich genießt, sei ihm gegönnt.
Zweifellos auch: Gott gibt gerne, wenn wir geben, das ist eine auch von mir erlebte Tatsache. Wer knausert, beraubt sich selbst. Ich bin zu 100 Prozent für das Geben. Ob 5 Prozent, 10 Prozent, 40 Prozent oder - mangels ausreichendem Einkommen - 0 Prozent und statt dessen Liebe, Zuneigung, Hausaufgabenhilfe für das türkische Nachbarskind... - was auch immer.

Aber Gott ist nicht der Mafiaboss, dessen Gewogenheit man mit Schutzgeldern erlangen kann. Er ist auch kein Automat, in den man oben den Zehnten oder mehr hineinsteckt und unten reiche Ernte herauszieht. Wer dir einen solchen Gott verkündigt, ist vornehmlich hinter deinem Geld her.