Dienstag, 7. Oktober 2008

»Aber die gehört doch...

...zu einer Pfingstgemeinde«, meinte die Amerikanerin, mit der ich kürzlich über die US-Wahlen sprach. Die Rede war von Sarah Palin, die gerne als Vizekandidatin mit John McCain ins Weiße Haus gewählt werden möchte.
Als sei die Zugehörigkeit zu einer Pfingstgemeinde (von Frau Palin sowieso inzwischen abgelegt) ein Garant für erfolgreiche Politik. »Und wenn Obama sagt, dass er Christ sei, dann ist er aber jedenfalls nicht wiedergeboren«, fügte besagte Gesprächspartnerin noch hinzu. Als sei eine Wiedergeburt Garant für erfolgreiche Politik.
Es scheint in manchen amerikanischen Köpfen die Vorstellung zu herrschen, als ginge es um die Wahl eines Bischofs oder Predigers, anstatt um die Wahl einer Partei, die dann ihren Präsidentschaftskandidaten nominiert und wählt.
Ob jemand Putin für den deutschen Bundespräsidenten hält (McCain) oder eine widerliche Schlammschlacht betreibt und den demokratischen Kandidaten (der seinerzeit noch ein Kind war) in die Nähe eines ehemaligen Terroristen rückt (Palin), ist offenbar weniger entscheidend als die Zugehörigkeit zu einer Konfession.

Allerdings scheint dies kein »amerikanisches« Phänomen zu sein. Wenn man die Deutschen fragt, warum sie diesen oder jenen Kandidaten wählen wollen, erfährt man in der Regel auch wenig vom Wahlprogramm oder den politischen Zielen, dafür umso mehr, dass jemand »nett aussieht« oder »gut reden kann«.
Fragt man, warum jemand nicht gewählt wird, hört man »weil er schwul ist« oder »die sieht so ungepflegt aus«.
Vermutlich hatte Rudi Assauer recht, als er über Franz Beckenbauer sagte: »Er könnte 14 Tage vor der Wahl eine Partei gründen und würde dann Kanzler.«

Mir ist jemand, der eine politische Vision hat, jedenfalls lieber als jemand, der im alten Trott weitermachen will, wenn der alte Trott gezeigt hat, dass er dem Land nicht gut tut. Ob alle Visionen sofort umsetzbar sind, mag dahingestellt sein. »I have a dream...« sagte einmal jemand, der davon träumte, dass schwarze Amerikaner an den Universitäten studieren dürfen, dass die Hautfarbe einen Menschen eines Tages nicht mehr zum Untermenschen machen wird. Dieser Traum wurde verlacht und der Träumende erschossen. Der Traum allerdings ließ sich nicht ermorden.
»Yes, we can!« sagt heute ein Kandidat in Amerika, der sich beharrlich weigert, sich auf das Schlammschlacht-Niveau seiner politischen Gegner zu begeben. Ich hoffe, dass die Leibwächter gut auf ihn aufpassen. Seine Vision mag manchem unrealistisch erscheinen. Aber wenigstens hat er eine. Und das mag für das angestrebte Amt mehr wert sein, als die Zugehörigkeit zu einer Pfingstgemeinde.