Freitag, 4. Dezember 2009

And in the end the love you take is equal to the love you make.

Heute darf ich mit Fug und Recht etwas müde durch den Tag gehen, denn die Nacht war, was den Schlaf betriff, eher kurz. Schuld ist niemand, ich bin ja freiwillig hingegangen. Wohin? Na in eines der schönsten Konzerte, die Berlin in den letzten Jahren zu bieten hatte.

Keine Spur von alt: Paul in Berlin Er ließ runde 30 Minuten auf sich warten, der Sir Paul, eine Unart, die ich bei Musikern überhaupt nicht schätze. Van Morrison oder Bob Dylan beispielsweise beginnen ihre Auftritte pünktlich. Das signalisiert Wertschätzung und Achtung für das Publikum.

Jedoch: das Wartenlassen war schnell verziehen, denn die 2 Stunden und 40 Minuten Musik, die ich zu hören und sehen bekam, waren eines der schönsten Konzerte meines doch eher konzertreichen Lebens.

Dass er 67 Jahre alt ist, hört man seiner Stimme kaum an, und die Bühnenpräsenz ist die eines wesentlich jüngeren Mannes. Er war fit, er hatte offenbar prächtige Laune, und seine Begleitmusiker sind ganz herausragende Meister ihrer Instrumente. Ihre Stimmen vermögen sogar meist wettzumachen, was wegen des Todes von John Lennon und George Harrison verloren ist: Die Lieder der Beatles live, so wie sie heute klingen würden, wenn alle vier noch lebten.

Selbst einige historisch als unaufführbar geltende Lieder spielte die Band gestern Abend, darunter A Day in the Life mit der sich auftürmenden und dann unvermittelt bei woke up, fell out of bed zusammenbrechenden Klangwoge und I Have Got a Feeling mit den schwierigen gegenläufigen Gesangs- und Instrumentalsätzen am Schluss oder Helter Skelter, das auch Jahrzehnte später für blisters on my fingers sorgen muss. Lediglich mit Eleanor Rigby in der dargebotenen Form war ich nicht sonderlich zufrieden, hier fehlte ein echtes Streichquartett doch allzu deutlich. Und – ehrlich gesagt – auf Yesterday hätte ich verzichten können, aber die Geschmäcker sind nun mal verschieden, und das ist auch gut so.

Paul McCartney hatte eine gelungene Mischung von Liedern, von antiken Beatles-Tagen bis zur Filmmusik von heute, zusammengestellt und mit recht aufwändiger Licht- und Videotechnik dargeboten, bei Live and Let Die sogar mit beeindruckenden Brandbomben, Flammenwerfern und Feuerwerk. Die Gefahr, dass die Show von der Musik ablenkt, bestand keinen Moment, sondern das ganze Konzert war ein Kunstwerk aus einem Stück mit sehr viel guter Stimmung, ein paar berührenden Momenten, etwa wenn Paul McCartney Something von George Harrison oder Give Peace a Chance von John Lennon anstimmte. Und mit viel Humor – beispielsweise einem Oooops, als er sich auf der Gitarre vergriff und ihr einen falschen Akkord entlockte. Ich habe ja den Verdacht, dass das bei einem Profi wie Sir Paul reine auflockernde Absicht war.

Und nun bin ich heute eben etwas müde, denn zu Hause waren wir erst nach Mitternacht und auf einen Wein nach der wunderschönen Reise durch Jahrzehnte Musikgeschichte haben wir hinterher auch nicht verzichtet.