Donnerstag, 30. Juni 2011

1&1 und AVM und die Fritz-Box und der Kundendienst–Kundendienst? Was ist das?

imageDie beste aller Ehefrauen arbeitet, was viele treue Blogbesucher wissen, selbständig von zu Hause. Wer es nicht wusste und nun neugierig ist: [MatMil]. Kunden rufen an, das Internet mit E-Mail und FTP-Server gehört zu den wichtigsten Arbeitswerkzeugen. Da ist es nicht nur ärgerlich, sondern nicht hinnehmbar, wenn mehrmals täglich, oft mitten im Gespräch oder wenn das Telefon zu läuten beginnt, die Fritz-Box, wie sich das Modem nennt, versagt. Ich fand im Internet auf der Herstellerseite etliche Tipps und Fehlerbehebungsvorschläge, die ich samt und sonders und ohne Erfolg ausprobierte. Aber nicht verzagen, sagte ich mir, sondern den Kundendienst fragen. Und das war der Beginn einer fast schon kafkaesken Entwicklung:

  1. Nach langen Minuten in der natürlich kostenintensiven Telefonwarteschleife erreichte ich vor einiger Zeit dann doch einen Menschen statt einen Roboter. Ich schilderte das Problem. Der Mensch las mir das vor, was ich schon auf der »FAQ-Seite« des Unternehmens gelesen hatte. Ich erklärte, dass ich lesen könne und das alles schon ausprobiert hätte – ohne Erfolg. Darauf sagte der Mensch, ich möge mich doch per E-Mail an den Kundendienst wenden.
  2. Ich folgte der Anweisung und schrieb wie folgt an den Kundendienst: »Fehlerbeschreibung: Es kommt häufig zum Abbruch während eines Telefonates, auch ohne Telefonbetrieb schaltet sich die Fritz-Box plötzlich aus und startet neu - mehrmals täglich. Oft bleibt sie dabei "hängen" - alle LEDs blinken. Es hilft nur vom Strom trennen und wieder anschließen.«
  3. Die erhoffte hilfreiche Antwort sah erst einmal so aus: »Sehr geehrter Herr Matthia, die Support-Anfrage mit der Ticket-ID CID2469883 wurde mit den untenstehenden Daten für Sie eröffnet. Wir werden Ihre Anfrage in Kürze beantworten.« Aha. Ich besaß nun ein Ticket, das weder zum Reisen, noch zum Konzertbesuch diente, aber vielleicht die technischen Probleme aus der Welt schaffen würde.
  4. Zwei Tage später erfuhr ich via E-Mail, aber jetzt immerhin mit Ticket-Nummer, was ich bereits unter den »FAQ« gefunden (und befolgt) hatte. Firmware-Update, Netzteil überprüfen, kein E-Mule einsetzen …
  5. Ich rief beim sogenannten Kundendiest an, erreichte nach der kostenintensiven Warteschleife wiederum einen Menschen, dieses Mal weiblichen Geschlechts, und erfuhr von der Dame, dass sie mir am Telefon keine weitere Hilfe anbieten könne, weil ja ein Ticket zu dem Vorgang existiert. Ich möge doch, meinte die Servicekraft, via E-Mail auf das Ticket antworten, dass die Ratschläge keine Änderung der Situation gebracht hätten.
  6. Selbiges tat ich natürlich. Und zwar mit diesen Worten: »Sehr geehrte Damen und Herren, alle von Ihnen genannten Maßnahmen bringen keinen Erfolg. Nach wie vor bricht die Verbindung - oft während eines Telefonates - unvermittelt ab. Manchmal startet sich die Fritzbox neu, manchmal blinken alle LEDs und es hilft nur, den Stecker zu ziehen. Angesichts unserer langjährigen Kundentreue würde ich Sie nun doch dringend bitten, uns ein neues Gerät zu schicken, denn als freiberuflich arbeitender Mensch ist es den Kunden unzumutbar, wenn sie uns telefonisch nicht erreichen oder mitten im Gespräch unterbrochen werden. Freundliche Grüße, G. Matthia«
  7. Die Antwort kam schnell: »Guten Tag Herr Matthia, vielen Dank für Ihre Ergänzungen zu Ihrer Support-Anfrage mit der ** Ticket-ID CID2469883 **. Wir haben diese zusätzlichen Informationen erfasst und werden uns in Kürze mit Ihnen in Verbindung setzen. Freundliche Grüße, Ihr AVM-Support-Team.«
  8. Rund 24 Stunden später dann dieser lustige Vorschlag: »Senden Sie Ihr AVM-Gerät bitte zusammen mit einem Garantienachweis zur kostenlosen Überprüfung an folgende Adresse … Legen Sie Ihrer Sendung als Garantienachweis eine Kopie des Lieferscheins oder der Rechnung bei. Bitte beachten Sie, dass Einsendungen ohne einen gültigen Garantienachweis nicht bearbeitet und unfrei zurückgesendet werden. .. AVM übernimmt keine Haftung bei eventuellen Beschädigungen oder Diebstahl während des Postweges. Wir empfehlen daher eine Versandart mit Versicherung (z.B. in Deutschland als Postpaket). Die Versandkosten werden im Rahmen der Herstellergarantie nicht von AVM getragen. Sollte Ihr AVM-Gerät defekt sein, werden wir es im Rahmen der Garantie kostenlos reparieren oder Ihnen ein baugleiches Austauschgerät zusenden. Leider können wir Ihnen keinen festen Termin für den Abschluss des Reparatur- bzw. Austauschvorgangs nennen. Nach der voraussichtlichen Bearbeitungszeit können Sie sich jedoch gerne beim AVM-Versand erkundigen.«
  9. Ich schrieb heute früh zurück: »Sehr geehrte Damen und Herren, wie stellen Sie sich das vor? Wir schicken das Gerät ein und sind für Tage, womöglich Wochen, vom Internet und Telefon samt Fax abgeklemmt? Entschuldigen Sie, aber ich meinte, deutlich gemacht zu haben, dass meine Frau selbständig von zu Hause arbeitet, wobei Telefon und Internet unverzichtbar sind. Ich meine, auch deutlich gemacht zu haben, dass ich als langjähriger Kunde von 1&1 eigentlich einen Kundendienst erwartet hätte, der dem Kunden dient. Also noch einmal meine Bitte: Schicken Sie ein Austauschgerät, das defekte bekommen Sie dann selbstverständlich gerne zurück – was soll ich denn auch damit?«

Und nun bin ich auf die Fortsetzung der Geschichte gespannt. Die geschätzten Leser werden selbstverständlich daran teilhaben dürfen.

Mittwoch, 29. Juni 2011

Für die Menschen, die keine E-Books mögen oder lesen können …

… ist nun Hoffnung in Sicht, dass Sabrinas Geheimnis ihnen nicht verborgen bleiben wird.

sage-buch

Es kann aber noch mehrere Wochen dauern.

Sofort und für nur 2,42 Euro ist die Kindle-Version erhältlich:

Montag, 27. Juni 2011

Gandalf is gay. So what?

gandalf

I’m straight. So what?

Get over it!

Quelle: [Guardian]

Sonntag, 26. Juni 2011

Jessika - Die Konfrontation /// Teil 6

Der Blick zurück: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4] [Teil 5]. Und nun der ziemlich kurze Teil 6:

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Die Polizei, so erzählte uns der Chef des Hotel Klika, war wegen eines Zechprellers gekommen, der samt Familie auf der Terasse zu Mittag gespeist hatte. Der Mann, ein Österreicher dem Akzent nach, hatte die Rechnung verlangt und als der Kellner damit wieder auf die Terasse kam, war die ganze Familie verschwunden.

Wir kündigten unsere Abreise an und versprachen, unsere Rechnungen zu bezahlen, nachdem wir die Koffer gepackt hatten.

Ich war schnell fertig damit, da ich stets mit wenig Gepäck reiste. Zwei Jeans hatte ich bei mir, für jeden Tag ein Hemd oder T-Shirt sowie Unterwäsche, drei Paar Socken, einen Pullover für kühle Abende oder Tage, einen Regenmantel, Sandalen und ein paar feste Schuhe; Zahnbürste und -pasta sowie Rasierapparat, um die Barthaare alle zwei oder drei Tage auf zwei Millimeter zu trimmen. Und natürlich hatte ich stets meinen Computer und meine Kamera dabei sowie das schlaue Mobiltelefon samt Ladegerät. Mehr brachte ich nie mit, denn Handtücher, Seife und Duschgel gab es im Hotel und Kleinigkeiten konnte ich am Urlaubsort kaufen, falls ich welche benötigen sollte.

Recepce hotelu Klika - Reception - die RezeptionIch ging davon aus, dass Jessika länger brauchen würde als ich, aber sie stand schon mit zwei Koffern an der Rezeption, als ich dort ankam. Sie plauderte vergnügt mit dem Inhaber, während sie zahlreiche tschechische Geldscheine abzählte, die sie dann hinüberreichte. Er zählte nach, wobei ich wieder die mirakulösen tschechischen Zahlen zu hören bekam, mit denen ich nie und nimmer im Leben irgend etwas anfangen können würde. »třista, šest set, tisíc…«

Als ich meine Rechnung verlangte, sagte er: »Das hat vaše snoubenka schon bezahlt.«

Ich war etwas ratlos, wer vaše snoubenka sein sollte.

»Du bist mein Gast«, klärte mich Jessika auf.

Ich hatte nicht vor, in Gegenwart unseres Hotelbesitzers einen Streit anzufangen, daher nickte ich und sagte: »So.«

Wir verabschiedeten uns, versprachen, wieder zu kommen und gingen mit unserem Gepäck zum Parkplatz. Mit den Zimmerschlüsseln waren auch die Toröffner nicht mehr verfügbar, aber daran dachte der Chef des Hotels natürlich und öffnete vom Büro aus.

Jessika lud ihr Gepäck in mein Auto und bat mich: »Fährst du mir hinterher, dann bringe ich das Kabrio seiner Besitzerin zurück und wir können gleich von dort aus abreisen?«

»Kein Problem, vaše snoubenka. Was heißt das eigentlich?«

»Frag doch dein schlaues Telefon, da hast du ja eine Übersetzungs-App drauf.«

»Na gut, falls ich später daran denke. Fahren wir?«

»Wir fahren.«

Ich folgte dem Mercedes über die Resslova, die Husova und Branišovská, an der Universität bogen wir rechts ab und hielten vor dem Hochhaus am Ende der Straße. Hier war Budweis nicht historisch malerisch, sondern so langweilig wie viele Städte weltweit, wenn man die Wohngebiete besucht, die nach dem 2. Weltkrieg bis in die 70ger Jahre gebaut wurden. Betonwüsten eben, ab und zu eine kleine Grüninsel dazwischen. Hier immerhin waren die Gebäude vor ein paar Jahren geschmackvoll gestrichen worden, so dass die Gegend nicht allzu trist wirkte.

Wir fuhren mit einem beängstigenden Fahrstuhl in das achte Stockwerk. Die Kabine hatte keine eigene Tür, nur im Treppenhaus waren welche montiert. Ich hielt sorgsam Abstand von den an uns vorbeilaufenden Mauerstücken und Türen, während sich der Lift eher mühsam nach oben bewegte. Das Rumpeln und Schwanken trug nicht zu meiner Beruhigung bei.

»Die Bewohner des Hauses machen sich keine Sorgen, wenn sie den Fahrstuhl benutzen«, erklärte Jessika. »Es ist noch nie etwas passiert, selbst bei Überladung, also wird auch nichts passieren.«

Natürlich fiel mir sofort ein, was ich in einer Erzählung, der zweiten mit Jessika, geschrieben hatte: Eine Familie, Eltern samt drei Kindern, stürzen mit einem ähnlich altertümlichen Fahrstuhl in die Tiefe. Einen Teil meiner Erzählung hatte ich noch wörtlich im Kopf: Er hätte in jedem anderen Gebäude einen solchen Lift misstrauisch gemieden, aber die Macht der Gewohnheit, gepaart mit der Mühsal, acht Stockwerke zu Fuß zu bewältigen, überwog jegliche Bedenken, die gelegentlich bei besonders misstönendem Quietschen aufkamen. Es war zwanzig Jahre lang nichts passiert, also machte er sich wenig Sorgen, wenn er die knarzende Kabine betrat.

Ich fragte: »Wir fahren nachher schon nach Berlin, oder landen wir unten im Schacht?«

Die Kabine hielt mit einem schrillen Quietschen und ich drückte erleichtert die Metalltüre zum Treppenhaus auf.

»Du kannst ja hinunter laufen, wenn du mir nicht traust«, grinste Jessika.

»Die Frage ist, ob ich dieser Technik hier traue.«

»Ach, aber mir vertraust du?«

Wir blieben vor einer Tür stehen, an der Jana Nováková stand. Jessika klingelte.

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Die Frage an die geschätzten Blogbesucher und Geschichtenleser lautet:

Jana Nováková ...
... wollen wir kennen lernen.
... bekommt nur schnell den Schlüssel.
Auswertung

Na denn, frohes Abstimmen! Fortsetzung folgt.

Mittwoch, 22. Juni 2011

Jessika sagt:

image

»Das halten wir jetzt mal fest. So soll es sein.«

Ich sage: »Einverstanden.«

Die ungeduldigen Leser fragen: »Wann geht es denn endlich weiter?«

Jessika antwortet: »Wenn dem Johannes G. Matthia wieder mehr Zeit zur Verfügung steht.«

Ich antworte: »So!«

Die ungeduldigen Leser maulen: »Das dauert viel zu lange!«

Ich merke an: »So.«

Jessika gibt Rat: »Dann sollen die Leser noch mal »Wer bist du, Jessika?« lesen, bevor der Text eines Tages verschwindet, weil aus meiner Geschichte ein Buch wird.«

Ich frage nach: »Deine Geschichte? Wie bitte?«

Jessika grinst und macht sich einstweilen von dannen.

Montag, 20. Juni 2011

Von guten Menschen und Gutmenschen

Foto: WikiCommonsÜber Sinn und Unsinn von Gesprächsrunden (neudeutsch Talkshows) im Fernsehen kann man - muss man eigentlich - geteilter Meinung sein. Die einzige derartige Sendung, die ich einigermaßen regelmäßig verfolge, nennt sich wie die Moderatorin: Anne Will.

Es ist nicht zu erwarten, dass durch solche Sendungen irgend etwas im politischen oder gesellschaftlichen Leben verändert wird. Es ist auch nicht zu erwarten, dass irgend jemand von den Teilnehmern der jeweiligen Diskussion seine bereits mitgebrachte Meinung modifiziert oder ändert. Das einzige, was diese Sendung für mich interessant macht: Man erfährt, was die Teilnehmer zu bestimmten Themen denken und glauben (vorausgesetzt es herrscht Ehrlichkeit). Das kann durchaus aufschlussreich und beispielsweise für künftige Stimmabgaben bei anstehenden Wahlen mitentscheidend sein.

Am vergangenen Sonntag diskutierten Frau Käßmann, Herr Lindner (F.D.P.), Herr Kretschmann (erster grüner Ministerpräsident), ein Philosoph und ein Sänger das Gutmenschentum.

Was ein Gutmensch eigentlich sein soll, wurde nur ansatzweise geklärt. Aber das kann man ja bei Wikipedia nachschlagen. Es ging sowieso eher darum, ob ein Gutmensch sich öffentlich zu Themen seiner Wahl äußern darf oder nicht. Die Tendenz des Philosophen war deutlich: Ein Gutmensch möge gerne seine Meinung, seinen Glauben haben, aber dies bitte nicht öffentlich äußern. Zitat: »Alles, was Sie sagen, Frau Käßmann, ist völlig akzeptabel und bewundernswert, solange es hinter den Mauern der Kirche bleibt und nicht als Politik auftritt.« Herr Lindner immerhin meinte, dass der Anstoß (zu anderem und neuen Denken und Handeln) von allen gesellschaftlichen Gruppierungen gegeben werden darf, und das nicht nur hinter verschlossenen Türen.

Selbst die Auffassung des Philosophen ist zulässig. Mir gefällt sie nicht sonderlich, ich werde sie mir nicht zueigen machen. Gerade die jüngere Geschichte unseres Landes zeigt, dass es gut war, den Protest aus den Kirchen heraus auf die Straße zu bringen - zur Erinnerung: Die deutsche Wiedervereinigung begann mit Gebeten und Gottesdiensten in ostdeutschen Kirchen.

Herr Kretschmann ein Gutmensch ist oder nicht, ob er vor der Wahl einer war und nun als Ministerpräsident seiner Gutmenschlichkeit beraubt wurde, konnte die Gesprächsrunde nicht klären. Es wurde jedoch deutlich, dass er ein realistischer Politiker ist. Obwohl seine Partei und er gegen das Bauprojekt eines neuen Bahnhofs in Stuttgart sind, sind bereits geschlossene Verträge eben zu respektieren. Das lernt man ja schon in der Schule: Pacta sunt servanda.

Frau Käßmann wurde übrigens vorgeworfen, populär zu sein, obwohl sie kein Amt bekleidet. Eine ganz neue Variante, die kannte ich noch nicht.

Also was kann man aus einer solchen Gesprächsrunde am Bildschirm mitnehmen? Kleine Erkenntnisse immerhin, wenn auch keine neuen Einsichten.

Nanu?

Liebe Blogbesucher,

eigentlich sollte hier ein neuer Beitrag stehen - aber die Technik mag zur Zeit irgendwie nicht:


Kennt / hat jemand das gleiche Problem mit Live Writer?

Donnerstag, 16. Juni 2011

Jessika-die Konfrontation /// Teil 5

Der Blick zurück: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4]. Und nun Teil 5:

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Ich hatte eigentlich noch drei Tage Urlaub vor mir, das Hotel war entsprechend gebucht. Wäre ich mir über meine Situation klar gewesen, hätte ich einigermaßen verstanden, was vor sich ging … womöglich wäre ich in Budweis geblieben. Aber es waren so viele Unwägbarkeiten vorhanden, dass ich beschloss, nach Hause zu fahren. Ich hatte nichts verbrochen, abgesehen davon, dass ich nach dem Tod des Mädchens nicht sofort die Polizei gerufen hatte – und abgesehen davon, dass ich Jessika und das Opfer sozusagen an den Tatort geschrieben hatte. War so etwas strafbar? Welches Gericht würde darüber befinden wollen oder können?

Wenn ich das Geschehen seit Jessikas Auftauchen in einer Erzählung gelesen hätte, wäre ich versucht gewesen, dem Autor schreiben: Ganz ehrlich, der Plot ist schon reichlich schräg!

Ich erinnerte mich an UR, eine Geschichte, die Stephen King für den Amazon Kindle geschrieben hatte. Wesley, ein Lehrer, bekommt statt des normalen grauen Kindle ein Gerät, das aus einem anderen, parallelen Universum stammt. Das Lesegerät hat ein Menü, das den Zugang zu diversen, parallel und unabhängig von einander existierenden Wirklichkeiten gestattet. Wesley liest auf dem Bildschirm Ur Local is protected by all applicable Paradox Laws. Do you agree? Y N, bevor ihm Realität und Fiktion verschmelzen. Diese Frage hatte mir niemand gestellt. Jessika war einfach aufgetaucht. Ich kannte die Paradox Laws genauso wenig wie Wesley. Und ob es mir nun gefiel oder nicht, ich hatte es nicht mit einem Buch, sondern mit meinem Leben zu tun. Und mit der Möglichkeit, dass die Polizei nach mir suchen würde. Mochte auch der Panamahut mein Gesicht verdeckt haben, so war doch Jessika sicher gut zu erkennen, falls die Kameras auf dem Turm in Betrieb waren. Die Angestellten im Hotel hatten uns gemeinsam beim Abendessen und beim Frühstück gesehen. Meine Personalien waren bekannt, Jessika hatte vermutlich mit ihren unerschöpflichen Vorrat an gefälschten Papieren ihr Zimmer gebucht und war somit in der Lage, einfach zu verschwinden – während ich immerhin damit rechnen musste, dass die deutsche Polizei bei mir auftauchte, falls die tschechischen Behörden auf mich als Zeugen des Mordes kamen. Fragen wären zu beantworten, Zeugenaussagen zu machen, Erklärungen zu geben, warum ich zugesehen hatte, warum ich die Behörden nicht verständigt hatte, woher ich die Tatverdächtige kannte, was ich über sie wusste …

»Nun gut, ich reise auch ab«, sagte ich schließlich.

Wir schlenderten zurück zum Hotel. Der Nachmittag war angenehm warm, die Straßen belebt, heitere Stimmung herrschte ringsum. Ein Urlaubstag, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Unter anderen Umständen zumindest.

»Der Mercedes bleibt in Budweis«, sagte Jessika. »Er gehört einer – äh – einer Verwandten. Kann ich mit dir fahren?«

»Wohin willst du denn? Palermo? Paris? Panama?«

Sie lachte und sang: »Berlin Berlin, wir fahren nach Berlin!«

»So.«

»Na klar, und das wusstest du auch schon.«

»So.«

»Wenn du mich nicht mitnehmen willst, nehme ich einen Leihwagen, oder ich könnte auch ein Auto annektieren, damit nach Prag fahren und dann fliegen.«

»So.«

Wir gingen am Schwimmbad vorbei, unser Hotel kam in Sicht.

»Falls ich mit dir fahren darf, beteilige ich mich natürlich an den Benzinkosten.«

»So.«

Jessika blieb stehen und hielt mich am Arm fest. Sie blickte über das Wasser zum Hotel und murmelte: »Das kommt jetzt aber sehr ungelegen.«

Ein Polizeifahrzeug hielt neben dem Eingang, zwei Uniformierte stiegen aus und betraten das Klika.

»Vielleicht wollen die ja nur ein Bierchen trinken?«, mutmaßte ich, ohne mir selbst zu glauben.

»Du kannst also doch noch mehr sagen als ein einsilbiges Wort. Das freut mich.«

»So.«

»Johannes! Noch ein einziges so und ich werfe dich auf der Stelle hier in den Fluss.«

Eingedenk ihrer Kräfte wollte ich das nicht riskieren und antwortete: »Ach.«

»Blödmann.«

»Ja.«

Wir bogen links auf die Terrasse des Hotel Budweis ab, von dort konnten wir das Klika sowie das geparkte Polizeiauto im Blick behalten. Ich hoffte, dass die Anwesenheit der Beamten nichts mit uns beziehungsweise der Leiche auf dem schwarzen Turm zu tun hatte. Jessika war – zumindest ging ich davon aus – bewaffnet, und wenn es darum ging, ihre Haut zu retten, nahm sie keine Rücksicht auf Menschenleben. Falls sie, wie auch immer das zugehen mochte, tatsächlich die Person war, die ich für meine Erzählungen erfunden hatte. Falls nicht, dann war es um meine mentale Gesundheit schlecht bestellt.

Wir bestellten Bier und warteten ab. Nach einer viertel Stunde traten die Polizisten zusammen mit dem Chef des Hotels vor die Türe. Sie blieben ein paar Minuten stehen und plauderten miteinander, dann wurden Hände geschüttelt und der Streifenwagen fuhr davon.

»Wenn du das hier schreiben würdest«, fragte Jessika, »wäre die Polizei dann wegen uns hier gewesen oder nicht?«

Ich trank den letzten Schluck aus meinem Glas. Was würde ich an dieser Stelle schreiben, wenn dies eine Geschichte und nicht die Realität wäre? Beide Varianten hatten einen gewissen Reiz, ließen Spielraum für den weiteren Fortgang. Schließlich antwortete ich: »Wenn das eine Fortsetzungsgeschichte auf meinem Blog wäre, dann bekämen jetzt die Leser wieder einmal Gelegenheit zum Mitmachen. Ich würde die Frage zur Abstimmung stellen und dann je nach Leservotum weiter schreiben.«

Sie sagte trocken: »So.«

»Ich hätte eine Präferenz, aber meinen selbst aufgestellten Regeln folgend läge die Entscheidung bei den Lesern.«

»So.«

»Es sei denn, es ginge unentschieden aus. Dann müsste ich selbst wählen.«

»So.«

»Aber das hier ist ja keine Erzählung, leider. Also müssen wir wohl oder übel früher oder später die Rezeption aufsuchen und unsere Abreise ankündigen.«

»So.«

»Und dann wird sich zeigen, ob der Chef die Polizei holt, während wir die Koffer packen, oder nicht.«

»So.«

»Wenn du jetzt noch einmal so sagst, dann … äh … dann …«

»Was dann?«

»Dann darfst du mit mir im Dodge Nitro nach Berlin reisen.«

»So.«

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Die Frage an die geschätzte Leserschaft liegt ja nun sehr sehr nahe:

Die Polizei kam ...
... wegen des Mordes auf dem schwarzen Turm.
... aus einem ganz und gar anderen Grund.
Auswertung

Fortsetzung? Folgt.

Dienstag, 14. Juni 2011

Vom geilen Hammer

Hammer EggVielleicht könnten unsere politischen Parteien der ständig sinkenden Wahlbeteiligung entgegenwirken, wenn sie dem sowieso unaufhaltsam fortschreitenden Verfall jeglicher Sprachkultur Vorschub leisten und ihre Broschüren, Plakate und sonstigen Werbemaßnahmen dem Umgangston der potentiellen Wähler anpassen würden?

Zum Beispiel:

  • Mach mit beim geilsten Voten des Jahres!
  • Hammer krass! Du darfst voten!
  • Voll geil: Voten für die Zukunft!
  • Echt die geilste Partei!
  • Tschaaakaaaa! Voten für die hammer geilen Typen!

Nach Belieben kann man ja viele Ausrufezeichen hinzufügen statt nur eines, auch die Schreibweise von Boaaaah und Wow  und Tschaaakaaa ist variabel zu gestalten. Meinen Beobachtungen zufolge darf Hammer und krass zusammengeschrieben werden, so wie überhaupt gängige Regeln der Grammatik und Rechtschreibung außer Acht bleiben, das gilt auch für die Groß- und Kleinschreibung. Der Hammer kann durchaus als hammer auftauchen und dabei Geil sein.

Hauptsache, die Vokabeln hammer, geil und voten, gern in Kombination mit voll, kommen reichlich zum Einsatz – dann wird die Zahl der Nichtwähler sicher zügig schrumpfen.

Montag, 13. Juni 2011

Gastbeitrag Friedrich Rückert: Der Nachtigall Pfingstgesang

Nachtigall von WikiCommonsZu Pfingsten sang die Nachtigall
nachdem sie Tau getrunken;
die Rose hob beim hellen Schall
das Haupt, das ihr gesunken!
O kommt ihr alle trinkt und speist,
ihr Frühlingsfestgenossen,
weil übers ird'sche Mal der Geist
des Herrn ist ausgegossen.
Die Himmelsjünger groß und klein
sind von der Kraft durchdrungen,
man hört sie reden insgemein
zu wunderbaren Zungen.
Und da ist kein Zung' am Baum
Kein Blatt ist da so kleines,
es redet auch mit drein im Traum
als sei's voll süßen Weines.
Oh, Ihr Apostel gehet aus
Und predigt allen Landen
mit Säuselluft und Sturmesbraus
von dem, der ist erstanden!
Legt aus sein Evangelium,
auf Frühlingsau'n geschrieben,
daß er uns lieben will darum,
wenn wir einander lieben.
Wer liebend sich ans nächste hält
Und will nur das gewinnen,
umfaßt darin die ganze Welt,
und Gott ist mitten drinnen!
.

Freitag, 10. Juni 2011

Kleiner Klick bringt große Freude

Viele meiner Erzählungen und Sachtexte verschenke ich bekanntlich, sei es auf diesem Blog, sei es auf jenem Blog, sei es als kostenloses E-Book. Das tue ich gerne und ich freue mich über mancherlei Lob und Tadel, Fehlerhinweise und andere Reaktionen.

Jedoch: Der Mensch lebt nicht vom Verschenken allein. Obwohl ich vom Schreiben nicht leben kann und muss, ist das Einkommen durch meine Bücher als bescheidener Zusatzverdienst sehr willkommen.

Bei Amazon ist die Zahl der (positiven) Bewertungen für viele Kunden ein Anreiz, ein Buch zu kaufen - daher gestatte ich mir die Bitte an meine Leser, die bei Amazon Kunden sind: Macht mir die Freude, soweit ihr eines oder mehrere meiner Bücher gelesen habt, ein paar Sternchen zu vergeben und mit tadelnden oder lobenden Worten (es reicht ein Satz, viele Sätze gehen auch!) eine kurze Rezension zu hinterlassen. Das kostet euch nichts und mir ist geholfen.

Hier die direkten Links:

Liebe und Alltag: 16 ErzählungenEs gibt kein Unmöglich!: RomanSabrinas GeheimnisWenn die Nacht vom Himmel fälltGänsehaut und Übelkeit: ErzählungenIch aber habe für dich gebetet. Eine Gebetsreise durch das Neue Testament

Ich bedanke mich sehr herzlich und ganz artig!

Mittwoch, 8. Juni 2011

Jessika-die Konfrontation /// Teil 4

Die Abstimmung zur vorigen Folge hatte ja nichts mit dem Fortgang zu tun – aber nun weiß ich, dass nur ein Viertel derer, die sich beteiligt haben, beim Schwimmen grundsätzlich den Körper mit Textilien auszustatten pflegt. Das ist doch auch eine feine Erkenntnis. Falls mich mal jemand von euch beim Baden erwischt, kann ich an der Reaktion vielleicht erkennen, ob der oder die Erwischende zu besagtem Viertel gehört.

Bevor es (mit einer wiederum eher langen Fortsetzung) weitergeht, hier wie üblich der Hinweis auf das, was bisher geschah: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3]

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Um 9 Uhr ging ich hinunter zum Frühstücksbuffet. Ich nahm an, dass Jessika nicht wesentlich früher als ich aufgestanden war. Ob sie frühstücken würde, ob ich sie überhaupt sehen würde, wusste ich nicht, da ich nichts darüber geschrieben hatte. Und selbst wenn – das Experiment musste ja erst noch stattfinden. Es blieb abzuwarten, was der Tag, insbesondere der Mittag bringen würde.

Ich ließ mir das Rührei mit Schinken schmecken und schaute dabei meinen Mail-Eingang auf dem schlauen Mobiltelefon durch. Hier unten im Restaurant war das hoteleigene W-LAN stark genug. Es waren keine persönlichen Mails eingegangen, lediglich Reklame von Amazon und ein paar ähnliche Werbesendungen. Ich schaute bei Facebook nach, was meine sogenannten und wirklichen Freunde zu vermelden hatten. Einer von ihnen hatte endlich seinen Roman »Sabrinas Geheimnis« für den Kindle veröffentlicht, ein paar Wochen zuvor hatte ich mich bei der Abstimmung über zwei Titelbildentwürfe beteiligt – zu meiner Belustigung wählte er dann schließlich ein ganz anderes Bild. Ich beschloss, den Roman zu kaufen, da mir sein voriges Kindle-Buch spannende Unterhaltung beschert hatte. Während ich noch die Bestellung durchführte, was mit dem Mobiltelefon etwas umständlicher war als mit einem PC oder direkt mit meinem Kindle, setzte sich Jessika an meinen Tisch. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und strahlte mich an: »Guten Morgen, Johannes.«

»Moin! So gut gelaunt und schon ausgeschlafen?«

»Allerdings. Warum auch nicht.«

Ich fragte: »Soll ich dir einen Kaffee mitbringen? Oder sonst was vom Buffett?«

»Gerne. Essen will ich nichts, aber ein Schuss Koffein kann nichts schaden.«

Ich stand auf und brachte zuerst zwei Tassen Kaffee zu unserem Tisch, dann ging ich für mich noch Rohlíky, Butter, Wurst und Käse holen.

»Früher«, sagte ich, als ich wieder Platz genommen hatte, »habe ich lauter ungesunde Sachen gegessen. Tomaten, Salat, Gurken, Sprossen sogar.«

»Ich glaube nicht, dass in Tschechien norddeutsches Gemüse auf dem Markt ist.«

»Glaube ich ja auch nicht. Vielleicht hole ich mir ja noch eine Tomate. Nachher.«

Während ich meinen Teller leerte, las Jessika in einer tschechischen Zeitung die neuesten Nachrichten. Es sei nichts sonderlich Aufregendes passiert, erklärte sie mir, ein gewisser Herr Strauss-Kahn halte sich für unschuldig, die deutsche Regierung habe der französischen Wirtschaft unter die Arme gegriffen, indem sie den deutschen Atomausstieg verabredet habe, in den üblichen Krisengebieten herrschten die üblichen Krisen. Und, so erklärte sie erfreut, die Sprossen waren auch nicht für EHEC verantwortlich. Man würde, so las sie, mit der Suche nach der Quelle von vorne anfangen müssen. Sie legte die Zeitung beiseite, füllte unsere Kaffeetassen nach und brachte mir einen Teller mit zwei Tomaten.

»Gerade Männer sollten auf Tomaten nicht verzichten«, erklärte sie mir.

»Ich weiß. Wegen des Krebses.«

Aus ihrer Handtasche kramte sie Zigaretten und Feuerzeug hervor und meinte: »Schön, dass du nicht wegen dem sagst. Ich mag sprachschlampige Menschen nicht sonderlich gerne leiden.«

Sie wartete, bis ich die Tomaten verspeist hatte und steckte dann zwei Zigaretten an, eine reichte sie mir.

»Danke«, sagte ich, »das kompensiert dann die Tomaten.«

»Umgekehrt.«

Wir rauchten genüsslich. Kaum hatten wir die Zigaretten ausgedrückt, war die Kellnerin mit einem frischen Aschenbecher zur Stelle.

Jessika trank den letzten Schluck aus ihrer Tasse und fragte: »Hast du Lust auf einen Altstadtbummel?«

»Gerne.«

»Gehen wir so in zehn Minuten los? Ich hole meine Kamera, ich will ein paar Aufnahmen machen.«

»Und vorher noch mal aufs Klo gehen, prophylaktisch.«

»Wogegen ja nichts spricht, oder?«

»Natürlich nicht. Hier besteht ja wohl nicht die Gefahr, dass du statt zu pinkeln zwei Männer erschießt.«

»Was sein muss, muss sein«, grinste sie und stand auf. »Also in zehn Minuten vor dem Hotel.«

Ob sie das Erschießen von Männern oder das Pinkeln gemeint hatte, blieb mir verborgen.

 

Bis 11:20 Uhr war ich mir nicht sicher, ob mein Experiment funktionieren würde. Wir schlenderten durch die Gassen der bezaubernd schönen Altstadt, Jessika fotografierte, machte auch eine Aufnahme von mit zwischen den Figuren eines Kunstwerkes, wir betrachteten die Auslagen einiger Geschäfte, alles ohne Ziel oder Eile. Um zehn vor halb Zwölf strebte sie dann zügig dem Marktplatz zu.

»Wohin denn nun?«, fragte ich.

Der schwarze Turm in Budweis»Ich hätte Lust, auf den schwarzen Turm zu steigen. Bestimmt hat man da einen tollen Blick über Budweis.«

Ich kannte den Blick, war mehrfach auf dem Turm gewesen. Damit war mein Experiment ja nun gelungen. Wir stiegen nach oben. Es waren kaum Menschen auf den 360 Stufen unterwegs, eine Gruppe von kamerabehängten Japanern begegnete uns, ein junges Pärchen kam uns entgegen. Hinauf wollte gerade niemand, jedenfalls sah ich keine weiteren Personen vor oder hinter uns beim Aufstieg. Oben angekommen gingen wir einmal rings um den Turm und stellten fest, dass wir allein waren, abgesehen von einem blassen, schmächtigen Mädchen, es mochte zwölf Jahre oder jünger sein. Es saß auf einer Stufe und weinte. Der kleine Körper bebte, wenn das Schluchzen stärker wurde. Jessika setzte sich neben das Mädchen und legte den rechten Arm um seine Schultern. Sie flüsterte etwas. Das Kind nickte. Jessika legte ihre linke Hand auf die bleiche Stirn und drehte den Kopf des Kindes so, dass es ihr direkt in die Augen schauen konnte. Sie flüstere wieder ein paar Worte und küsste die Tränen von den Wangen. Ich stand rund drei Meter entfernt und war vor lauter Verwirrung unfähig, irgend etwas zu tun.

Warum sitzt hier ein Mädchen im roten Kleid? Das habe ich nicht gewollt …

Der Blick des Kindes war vertrauensvoll auf Jessika gerichtet, sogar ein leichtes Lächeln erschien endlich auf den Lippen. Wie eine fürsorgliche Mutter ihr Kind tröstet, so behutsam ging Jessika mit der Kleinen um. Das Schluchzen hatte aufgehört, die Tränen waren versiegt. Das Kind erzählte mit leiser Stimme, Jessika hörte zu, nickte, lächelte und strich ihm mit ihrer Hand über die Stirn, den rechten Arm noch immer schützend um den schmächtigen Körper gelegt.

Mit einem plötzlichen Ruck, der Jessikas verborgene Kraft ahnen ließ, brach sie dem Mädchen das Genick. Sie hielt die Leiche im Arm. Ich sah, dass Tränen auf das rote Kleid des Kindes tropften. Jessika drückte dem Mädchen noch einen Kuss auf die Stirn und legte den Körper dann behutsam neben die Balustrade.

»Komm, wir gehen«, sagte sie mit einer müden Stimme, die nicht ihr zu gehören schien. »Ich möchte wieder unten sein, bevor jemand auf den Turm kommt.«

 

Wir saßen am Ufer und schauten den Enten zu, die gemächlich ohne erkennbares Ziel hin- und herschwammen. Ich hatte noch Mühe, mit dem Erlebnis fertig zu werden. Immerhin hatte ich tatenlos zugesehen, wie ein Mensch ermordet wurde. Hätte ich damit rechnen müssen? Die Szene war so friedlich gewesen …

Jessika war bleich, in sich zusammengesunken. Sie starrte auf das Wasser. Ihre Hände waren zu Fäusten verkrampft.

»Die Kinder, die machen mir meine Aufgabe zur Last«, sagte sie schließlich. Es waren ihre ersten Worte, seit wir den černá věž hinter uns gelassen hatten.

»Und wenn du das Mädchen am Leben gelassen hättest?«, fragte ich.

»Dann hätte Jana, so hieß die Kleine, ihre Schmerzen noch ein halbes Jahr lang aushalten müssen, vielleicht noch länger, immer schlimmer, immer unerträglicher, bis sie dann irgendwann qualvoll an ihrem Gehirntumor gestorben wäre.«

»Hat sie dir das erzählt?«

»Nein. Das wusste ich schon, als ich sie in den Arm nahm. Wie fast immer, wenn ich einen Auftrag habe, sehe ich beim Kontakt den Anlass. Sie hat mir nur gesagt, dass sie auf den Turm gestiegen ist, um sich in die Tiefe zu stürzen, aber der Mut hat sie verlassen, weil man ihr beigebracht hat, dass Selbstmörder in der Hölle landen. Das Leiden hier abzukürzen, um dann eine Ewigkeit in einem feurigen Pfuhl zu schmoren, das konnte sie nicht.«

Ich war entsetzt. »Wer sagt denn so etwas zu einem Kind?«

Jessika sah mir in die Augen. »Ihr Menschen, ihr sagt solche Sachen.«

»Ich nicht. Niemals.«

»Ihr Menschen, ihr steuert Flugzeuge in Hochhäuser, baut Konzentrationslager, erfindet Waffen, die ihr gar nicht kontrollieren könnt. Ihr haltet Sklaven, auch heute noch, damit ihr billige Textilien in euren Geschäften habt. Ihr lasst in Afrika Menschen verhungern und kippt hier tonnenweise Lebensmittel auf den Müll. Und zur Beruhigung macht ihr euch ein Bild von Gott, ob er nun Allah heißt oder Jehova, Zeus oder Teutates, das es euch erlaubt oder sogar gebietet so zu handeln. Damit seid ihr die Verantwortung los. Ganz billig. Zu billig.«

Ich sah keinen Anlass, zu widersprechen. Das abgedroschene Argument, dass man nicht alle in einen Topf werfen kann, dass es immer Menschen gegeben hatte, die nicht mitmachten, sogar aufbegehren, war viel zu schal. Die Menschheit hatte über Jahrtausende bewiesen, dass sie zu einem friedlichen und gerechten Leben nicht fähig war. Ich schwieg.

Jessika streckte die Hand ins Wasser, ein Entenküken paddelte eilig herbei. Sie nahm das kleine Wesen behutsam heraus. Endlich sah ich wieder ein Lächeln in ihrem Gesicht. Sie strich dem Küken mit den Fingerspitzen über den Kopf, flüsterte ihm etwas zu und ließ es wieder in den Fluss gleiten.

»Ihr habt Gott nie verstanden«, fuhr sie fort, »aber das ist euch nicht einmal vorzuwerfen. Das kleine Entenbaby versteht mich auch nicht, wenn ich ihm etwas ins Ohr sage.«

»Wenn … also nur mal angenommen …« - ich wusste noch nicht recht, wie ich meine Frage formulieren sollte. Ich war mir der Absurdität meiner Situation bewusst. Ich unterhielt mich gerade mit einem für meine Erzählungen erdachten Wesen, als wäre auch ich eine fiktive Figur in meinem Roman. Ich hatte mit ein paar nächtlichen Zeilen auf meinem Computer den Tod eines zwölfjährigen Mädchens herbeigeführt – was in einem Roman oder einer Kurzgeschichte durchaus zulässig war, aber dies hier war nun einmal eindeutig die Realität.

Und ein Traum ist das übrigens auch nicht. Kein Traum kann so lange anhalten.

Ich setzte erneut an. »Wenn du Nitzrek, der doch so etwas wie ein Gott, oder zumindest ein übernatürliches Wesen ist, widersprechen würdest, dich weigern würdest, einen bestimmten Menschen zu töten, was dann?«

»Sollte Jana denn noch sieben, acht Monate immer grausamer leiden, um schließlich unter größten Qualen aus dem Leben zu scheiden? Fändest du das besser?«

»Das ist jetzt nicht meine Frage. Ich meine das generell.«

»Ich hatte bisher nie einen Anlass zum Widerspruch. Manchmal bin ich sehr traurig, wie heute, aber nur ein einziges Mal fiel es mir schwer, meine Aufgabe zu erfüllen. Da ging es um Bernd, du kennst ja die Geschichte, da du sie niedergeschrieben hast. Es war das einzige Mal in den hunderten von Jahren, die ich jetzt schon auf der Erde lebe, dass ich für einen Menschen so viel empfunden habe. Aber auch bei Bernd gab es keinen Zweifel für mich, dass sein Abscheiden aus dieser Welt richtig war.«

»Ich habe damals aber keinen Grund aufgeschrieben, warum Bernd nicht überleben, nicht mit dir leben durfte. Es war einfach so, dass Jessika – dass du ihm in der letzten Szene die Kehle durchschneidest. Ohne weitere Erklärung.«

»Weil du mich für böse hieltest. Für eine Art tödliche Gefahr. Du hast aus mir so etwas wie ein Monster gemacht.«

Ich nickte. Damals hatte ich geschrieben:

Sie bewegte sich etwas stärker, schneller, als sie spürte, dass sein Orgasmus kurz bevor stand. Im Augenblick der höchsten Lust, schnitt sie ihm mit einer gekonnten und raschen Bewegung die Kehle durch, tief und tödlich, er litt nicht, er begriff nicht einmal mehr, was geschah.

»Du hast es verdient, so glücklich zu sterben.« flüsterte sie und strich ihm liebevoll über die Wangen. »Ich werde noch lange an dich denken.«

Und zwei, drei Absätze weiter hieß es in meiner Geschichte:

Jessika schlenderte über den Kurfürstendamm. Sie dachte an Bernd. Er war ihr schwerster Fall gewesen, denn sie hatte zum ersten Mal erlebt, was wahre Liebe sein konnte. Sie lächelte wehmütig.

»Vielleicht bist du nicht tot, Bernd. Vielleicht denkt sich jemand uns beide aus und holt uns irgendwann wieder hervor für ein neues Leben.«

Ihr Gesicht wurde drohend und hart. Sie blickte mich finster an. »Und wage es ja nicht, nur Bernd zurückzuholen! Wage es nicht!«

Ich speicherte am Freitag, dem 23. April, das letzte Kapitel der Geschichte und stellte die Publizierung im Blog auf Montag, 26. April, 01:01 Uhr ein. Ich las noch einmal die ersten Teile, dann den Schluss. Das bestärkte mich in meinem Beschluss, den Namen Jessika aus meinem Wortschatz zu streichen. Sie hatte mir Angst gemacht, echte Angst. Sie hatte mich fasziniert. Elvis fiel mir ein: You look like an angel, talk like an angel … but I got wise: You’re the devil in disguise.

Die Geschichte hatte sich selbst geschrieben, fast ohne mein Zutun, gelenkt auch von den Leserabstimmungen, aber auf jeden Fall ohne Mühe. Jetzt hatte ich jedoch die Nase voll von Jessika und ihrem Treiben.

Es stimmte, damals war sie für mich ein gefährliches Wesen, ein Monster, etwas sehr Böses. Ich legte meinen Arm um Jessikas Schultern und sagte: »Ich kannte dich noch nicht, oder zu wenig. Ich war noch auf der Suche. Immerhin habe ich deinen Namen dann doch nicht aus meinem Wortschatz gestrichen. Und mit den letzten Sätzen ein wenig vorweggenommen, was jetzt und hier passiert, ohne dass ich es verstehe. Sie blickte mich finster an … - da warst du  doch schon für einen Moment real, anwesend, echt.«

»Ich bin so einsam«, flüsterte sie.

Dann richtete sie sich entschlossen auf, strich sich über das Kleid, als wolle sie die melancholische Stimmung abschütteln. »Es ist gut«, sagte sie, »dass du deinen Hut getragen hast. Die Kameras auf dem Turm sind so hoch angebracht, dass man dein Gesicht auf den Aufnahmen nicht erkennen kann. Dennoch sollten wir Budweis verlassen, bevor die Suche los geht.«

Eine Kamera war mir nicht aufgefallen. Wenn Jessika recht hatte, war es tatsächlich höchste Zeit, abzureisen.

Ich stand auf und fragte: »Bist du sicher, dass da eine Überwachung installiert ist?«

»Alle vier Seiten werden überwacht, die Kameras sind an den vier Ecken über dem Weg um den Turm installiert. Vielleicht war die Anlage nicht in Betrieb, denn Nitzrek würde niemals einen Ort oder einen Zeitpunkt wählen, der mich in ernste Gefahr bringt. Aber sicher ist sicher, ich jedenfalls werde jetzt abreisen.«

Ich hatte es mir wohl etwas zu leicht gemacht mit meinem Experiment, keinen Gedanken daran verschwendet, dass ein solch exponierter öffentlicher Platz für meine Idee so ziemlich der ungeeignetste Ort war. Ich hatte allerdings auch nicht damit gerechnet, dass dort ein zwölfjähriges Mädchen sitzen würde; mir war es nur darum gegangen, herauszufinden, ob Jessika zur aufgeschriebenen Zeit auf den Turm wollte.

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Und nun möchte ich gerne von den Lesern die Entscheidung, wo es mit der Geschichte weiter geht.

Na das ist doch klar:
Wir bleiben in Budweis.
Wir fahren nach Berlin.
Man macht sich ja keinen Begriff.
Auswertung

Fortsetzung? Ist noch nicht geschrieben, folgt aber. Erst mal seid ihr alle dran, ein Mausklick auf die gewünschte Antwort genügt.

Dienstag, 7. Juni 2011

Segen, Salbe, Sammeleimer

Zunächst für die Ungeduldigen, Wartenden, Drängelnden, kurz gesagt die Fans von Jessika: Morgen kommt die Fortsetzung. Sie ist so gut wie fertig.

Den folgenden Text kennen regelmäßige Blogbesucher mit gutem Erinnerungsvermögen bereits, er stammt vom 14. Februar 2009, seinerzeit erschienen unter der Überschrift »Herr K. besucht einen Gottesdienst«. Aus gegebenem Anlass, nämlich dem Abdruck einer leicht gekürzten Fassung in der Zeitschrift Oora und der damit entstandenen niegelnagelneuen Audio-Version sehe ich mich zu einer Wiederholung veranlasst.

Hier die Audio-Version: [Segen, Salbe, Sammeleimer zum Anhören]

Hier der (ungekürzte) Text:

imageDaniel K. fand in seinem Briefkasten eine Einladung zu einem Gottesdienst. Nicht in einer Kirche, sondern in einem »Zentrum«. Herr K. war neugierig, seine Frau eher skeptisch. Also machte er sich eines Sonntags alleine auf den Weg.

  • 09:55 Uhr - Herr K. sitzt auf seinem Platz im Gemeindesaal, da der Gottesdienst um 10:00 Uhr beginnt. Zumindest beginnen sollte, der Einladung nach. Ringsum plaudern Menschen, in den Gängen, im Foyer, durch die Fenster sieht Herr K. Autos in Richtung Parkplatz rollen.
  • 10:00 Uhr - Keine Änderung der Situation. Nichts deutet darauf hin, dass irgend etwas in absehbarer Zeit anfangen würde. Herr K. liest zum vierten Mal den Zettel mit den Veranstaltungshinweisen für die nächste Woche.
  • 10:10 Uhr - Fünf Menschen betreten die Bühne, nehmen hinter Keyboard und Schlagzeug Platz, greifen zur Gitarre oder zum Mikrophon. Nach einer halben Minute stimmen sie ein Lied an. Die Leute im Saal stört das nicht sonderlich bei ihren Gesprächen, Begrüßungen und Plaudereien. Einige, die schon saßen, stehen allerdings auf, Herr K. weiß nicht recht, warum. Vorsichtshalber bleibt er sitzen.
  • 10:15 Uhr - Eine Sängerin auf der Bühne bittet darum, die Plätze einzunehmen, da man nun anfangen wolle. Das Lied wird fortgesetzt. Die Besucher verlassen tatsächlich die Gänge und nun stehen fast alle, den Blick zur Leinwand gerichtet, auf die der Text des Liedes projiziert wird. Herr K. singt leise mit, lässt allerdings einige Zeilen aus. Er versteht nicht, was da steht. Wie kann er etwas singen, was er nicht begreift?
  • 10:26 Uhr - Ein Mann löst die Musiker auf der Bühne ab, um die Anwesenden zu begrüßen und dann das vorzutragen, was auf dem Zettel steht, den Herr K. mehrmals gelesen hat. Auf der Leinwand erscheint der Zettel ausschnittweise im Großformat.
  • 10:36 Uhr - Inzwischen erklärt der Mann auf der Bühne, dass Gott einen fröhlichen Geber lieb habe. Herr K. fragt sich, ob man die Liebe Gottes wirklich so einfach bekommt. Je größer die Summe in der Kollekte, desto mehr wird man geliebt? Nun gut, der Ansager hat das nicht behauptet, es wäre lediglich die logische Schlussfolgerung aus der Ankündigung. Sei's drum, vielleicht soll man jetzt nicht denken, sondern spenden. Der Mann auf der Bühne zitiert nun aus seiner Bibel, dass jeder geben solle, was er sich im Herzen vorgenommen hat. Herr K. hat sich eigentlich gar nichts vorgenommen.
  • 10:40 Uhr - Die Musiker kommen wieder auf die Bühne. Es sei Zeit für die Anbetung, erfährt Herr K., und dass jeder eingeladen sei, auch nach vorne vor die Bühne zu kommen, um dort zu singen. Näher an den Musikern. Oder näher an Gott? Die Sängerin erklärt, dass vorne die Salbung stärker sei. Herr K. bleibt in seiner Reihe, an seinem Platz. Er weiß nicht, was Salbung ist und will auch eigentlich nicht mit Salbe behandelt werden. Einige stellen sich vor die Bühne und bewegen sich im Rhythmus. Heben die Arme hoch. Vielleicht wird die Salbe, die wohl unsichtbar sein muss, so ergriffen? Herr K. ist ratlos.
  • 10:45 Uhr - Es werden Eimer durch die Reihen gereicht, in die der fröhliche Geber nun seine fröhliche Gabe legen darf. Herr K. reicht den Eimer an den Nachbarn weiter, ohne etwas zur Sammlung beizutragen. Er hat ein wenig ein schlechtes Gewissen. Im Kino oder Theater muss man ja auch bezahlen...
  • 11:00 Uhr - Die Musik, die bisher eher poppig-beschwingt war, wird besinnlicher. Es ändert sich allerdings nichts an der Herrn K. außerordentlich verblüffenden Tatsache, dass ein Lied mit dürftigen acht oder zehn Textzeilen durch Wiederholungen und Wiederholungen der Wiederholungen leicht sechs bis sieben Minuten dauern kann. Ob vielleicht nur wenige Lieder zur Verfügung stehen? Aber dann könnte man doch die Zeit des Musizierens auch kürzer gestalten? Oder eine klassische Melodie zu Gehör bringen?
  • 11:10 Uhr - Während die letzten Klänge verklingen, hat der Pastor den Weg zum Rednerpult gefunden. Alle, die immer noch stehen, setzen sich wieder. Herr K. sitzt schon eine Weile. Bevor der Pastor predigt, dürfen einige Menschen über das Mikrophon sprechen. Sie sagen merkwürdige Sätze. Einer erzählt, dass er während des Gesanges eine Blumenwiese gesehen habe, und dass das bedeuten würde, dass Gott die Menschen liebt. Herr K. wundert sich. Womöglich hätte er doch die Salbe abholen sollen, um das nun zu begreifen?
  • 11:20 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. hört zu. Es scheint um Erfolg zu gehen.
  • 11:30 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. beobachtet, wie ein junges Paar ein paar Reihen weiter vorne tuschelt. Der Mann streicht der Frau sanft über die Wange. Muss wohl eine liebevolle Tuschelei gewesen sein.
  • 11:40 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. fragt sich, warum er dabei quer durch die Bibel von einem halben Vers hier über zwei Verse dort zu einem Viertelvers irgendwo anders springt. Vermutlich will er seine Gedankengänge mit einem biblischen Fundament versehen. Herr K. hat Mühe, den Gedankengängen zu folgen.
  • 11:50 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. überlegt, wen er zur Geburtstagsfeier in vier Wochen einladen möchte.
  • 12:00 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. versucht, wieder den Anschluss an die Predigt zu finden. Ihm ist allerdings nicht so ganz klar, was die vom Pastor beschriebene paradiesische Situation mit seinem Leben zu tun haben könnte. Es ist viel von Sieg und Überwindung die Rede, von Kraft aus der Höhe, die dabei hilft.
  • 12:10 Uhr - Der Pastor sagt Amen. Die Musiker kommen wieder auf die Bühne. Menschen, die Gebet oder Segen wünschen, dürfen während der nun folgenden Musik nach vorne kommen. Die Gemeinde steht wieder. Mancher dürfte froh darüber sein, nach so langem Sitzen. Herr K. fragt sich, ob es im Foyer Kaffee geben wird.
  • 12:15 Uhr - Es wird immer noch gesungen. Einzelne, die wohl mit außerordentlichem Mut versehen sind, entfernen sich aus dem Saal. Herr K. zögert. Er will ja nicht unangenehm auffallen.
  • 12:20 Uhr - Die letzten Töne sind verklungen, die Menschen strömen aus dem Saal.
  • 12:30 Uhr - Herr K. hat einen Kaffee ergattert, für 70 Cent. Der Preis ist in Ordnung, findet er. Eine ältere Dame spricht Herrn K. an, ob er zum ersten Mal hier sei. Herr K. nickt. Ob er denn Lust habe, am Mittwoch zum Hauskreis zu kommen, fragt die Dame. Herr K. weiß nicht, was ein Hauskreis ist, aber er schreibt sich Adresse und Uhrzeit auf.
  • 13:00 Uhr - Frau K. fragt ihren Mann, ob ihm der Besuch in der Gemeinde gefallen und was denn der Pastor gepredigt habe. Herr K. runzelt die Stirn. »Nun ja«, murmelt er, »vielleicht war das eine Veranstaltung für Eingeweihte...«

Ob Herr K. einen Hauskreis besuchen wird, bleibt abzuwarten. Immerhin ist er ja von Natur aus neugierig...

Hier die geniale Zeitschrift, in der diese Zeilen nun gedruckt wurden: [Oora – Die Zeitschrift zum Weiterdenken]

Montag, 6. Juni 2011

Frau Merkel, die neue Weltordnung und das Facebook-Volk

imageEinige meiner Kontakte auf Facebook beweisen mal wieder, dass es mit den Informationen in unserer Informationsgesellschaft nicht überall weit her ist.

Irgend jemand hat ein nach wenigen Sekunden abgehacktes Video auf seine »Wall« gestellt und zügig verbreitet sich der Link nun im Facebook Netzwerk. Frau Merkel wolle eine neue Weltordnung, suggeriert das Filmschnipselchen, und schon ist - je nach Temperament - ein Stöhnen, ein Aufschrei oder ein gequältes Schluchzen in den Kommentaren derer zu lesen, die das bei Facebook weiter verbreiten. Vom Antichrist ist die Rede, vom Untergang des Abendlandes, vom apokalyptischen Ende der Welt gar. Flugs kommt die Offenbarung des Johannes ins Spiel, alternativ auch der Teufel, der die Bundeskanzlerin so offensichtlich heimgesucht und als Sprachrohr missbraucht hat.

Es scheint, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, einmal nachzusehen, was Angela Merkel wirklich gesagt hat, in welchem Zusammenhang und auf welche Fragestellung. Dazu hätte man ja lesen müssen – und das ist doch wohl zu viel verlangt.

Diejenigen, die des Lesens kundig sind und von dieser Fähigkeit auch Gebrauch machen, freuen sich darüber, dass die Bundeskanzlerin in der fraglichen Rede deutlich auf die nicht zu akzeptierende Christenverfolgung hingewiesen hat. Ich kann auch nicht umhin, ihr zuzustimmen, dass die Ordnung der Vereinten Nationen, die nach dem zweiten Weltkrieg etabliert wurde, nicht mehr zeitgemäß ist, den politischen und wirtschaftlichen Realitäten angepasst werden muss ... also brauchen wir womöglich wirklich eine neue Weltordnung, denn auf die Konstitution der UN bezieht sich dieser Begriff.

Nun gut, zur Demokratie gehört es auch, dass bei Facebook jeder so gut wie jedes Schnipselchen eines Fernsehbeitrages weiterverbreiten darf, einschließlich seiner Meinung. Es existiert ja kein Zwang, erst zu denken, sich erst zu informieren ... und womöglich ist das auch gut so.

Sonntag, 5. Juni 2011

Schlicht und einfach: Entspannen

Liebe Blogbesucher,

ich habe vier Tage lang ganz einfach nichts weiter getan, als auszuspannen, zu entspannen, oder wie auch immer man das nennen mag.

Im Wasser tummeln, Spaziergänge unternehmen, Bücher lesen, Filme anschauen ...

Mein Blog blieb daher brach, denn die jeweiligen Aktivitäten waren ja bereits samt fotografischen Belegen auf Facebook vermeldet - doch demnächst wird es auch hier wieder etwas abwechslungsreicher zugehen.

Voraussichtlich.

Freitag, 3. Juni 2011

Jessika-Die Konfrontation /// Teil 3

Die Abstimmung fiel knapp aus – aber Jessika ist zufrieden mit dem Ergebnis. Wer noch mal nachsehen will, was bisher geschah, klickt hier: [Teil 1] [Teil2]

Diese Fortsetzung ist etwas länger als gewohnt, aber den meisten treuen Lesern wird das vermutlich ganz recht sein. Eigentlich sollte in diesem Teil 3 bereits jemand zu Tode kommen, aber das Ereignis findet dann erst später statt. Genug Vorrede? Bittesehr:

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»Also gehen wir schwimmen«, erklärte Jessika. »Wenn dies eine Geschichte wäre, würde die Mehrheit deiner Leser das so wollen.«

Müde war ich nicht, und, wie ich zugeben möchte, ein wenig neugierig. Die Jessika, die ich mir ausgedacht und in meinen Erzählungen verwendet hatte, war eine hervorragende Schwimmerin, badete grundsätzlich nackt und hatte ein Muttermal an einer Stelle, die normalerweise durch Textilien verhüllt war. Also erklärte ich mich nun doch einverstanden und wir brachen auf.

»Darf ich wieder dein Ungetüm steuern?«, fragte sie auf dem Parkplatz.

Sie hatte nie im wirklichen Leben meinen Dodge Nitro gefahren, ich kannte sie ja erst seit ein paar Stunden. Die Jessika aus meiner Erzählung hatte ihn in Italien lenken dürfen, aber das war ja eine ganz andere Geschichte und die hatte ich längst erzählt.

»Was heißt hier wieder? Und nein, darfst du nicht. Wir nehmen deinen Mercedes.«

»Dann muss ich noch mal zum Hotel rüber, ich habe den Schlüssel nicht mitgenommen.«

»Ich dachte, mein Auto ist dir zu schmutzig? Alle anderen Autos auf dem Parkplatz seien blitzsauber, und es gäbe auch hier Waschanlagen; das war das erste, was du mir vorhin mitgeteilt hast.«

»The truth can be told«, lachte sie und ich öffnete die Türen. Wir stiegen ein, Jessika auf der Beifahrerseite. Als kenne sie mein Fahrzeug in- und auswendig schaltete sie das Navigationssystem an und gab als Ziel Hluboká nad Vltavou ein.

Sie lehnte sich zurück und ließ mich wissen: »Der muniky rybnik hat kurz vor dem Zoo einen schönen Uferstreifen mit ein paar Bootsrampen, da kann man prima ins Wasser.«

»Ich kenne das Schloss und den See, allerdings war ich dort noch nie im Wasser. Neulich dümpelten am Ufer eine ganze Menge tote Fische, das lädt nicht so recht zum Baden ein.«

»Das Wasser ist okay, und man kann ja hinterher duschen. Im Hotel, meine ich.«

Es war fast dunkel, als wir den See erreichten, in einem letzter Hauch von Dämmerung gingen wir vom Auto zu einer der Rampen, die schräg ins Wasser ragten, breit genug, um mit einem Anhänger ein Boot aus dem See oder in den See zu bringen. Eine hölzerne Bank stand am Rand des Ufers, Jessika entledigte sich dort ohne weitere Umstände ihrer Kleidung und verschwand im Wasser, noch bevor ich Hemd und Jeans ausgezogen hatte.

Ich erinnerte mich an meine Erzählung, in der die fiktive Jessika genauso flugs in den Fluten des Lago di Montepulciano verschwunden war, während ihr Begleiter noch Kühltasche und Decken aus dem Kofferraum holte. An der Szene hatte ich lange gefeilt, denn sie sollte mit Jessikas Tod enden. Beim Schreiben allerdings besann ich mich dann eines besseren und ließ sie überleben, wozu allerdings einige ungewöhnliche Ereignisse herhalten mussten.

Das Wasser war für meine Begriffe zu kalt, aber – da hatte ich mich wohl nicht geändert in den vielen Jahren seit meiner Kindheit – das konnte ich mir natürlich nicht anmerken lassen. Wäre ich allein gewesen, hätten höchstens Füße und Beine bis zu den Knien Kontakt mit dem See bekommen, nun biss ich die Zähne zusammen, schritt so entschlossen wie möglich fürbass und fragte mich, warum das Schicksal mir nicht einen gemütlichen Leseabend in meinem Zimmer oder ein Jazzkonzert im Masné krámy bescheren konnte. Statt dessen fror ich hier in einem See mit zweifelhafter Wassergüte …

Nach ein paar Minuten, in denen ich zügig schwamm, war mir weniger kalt. Jessika tauchte neben mir auf und meinte: »War doch eine gute Idee, oder? Erfrischend nach so einem heißen Tag.«

Haby Night Lost Viking Lake via WikiCommons»Sehr erfrischend, allerdings. Übrigens habe ich keine Handtücher im Auto.«

»Macht nichts, wir trocknen auch so. Hast du Lust auf ein Wettschwimmen?«

»Ich glaube, das habe ich schon verloren, bevor es beginnt. Falls du wirklich die bist, die du zu sein behauptest.«

»Also los. Wer zuerst beim Ufer am Zoo ist, hat einen Wunsch frei.«

Sie wartete keine Antwort ab, sondern schwamm zügig los. Ich gab mir Mühe, strengte mich an, aber wie erwartet konnte ich nicht mithalten. In jenen Tagen waren die Riesen auf der Erde, und auch danach, als die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren – so stand es über den Ursprung ihrer Rasse in der Bibel, einer Rasse, die überlebt hatte. Im Verborgenen, klug geworden durch Jahrhunderte und Jahrtausende. Vorsichtig geworden, um nicht entdeckt zu werden. Äußerlich wie ganz normale Menschen, aber mit Kräften ausgestattet, die schier unglaublich waren, mit einer Lebensdauer von mehreren Hundert Jahren, und mit einem Wesen als Oberhaupt, das wohl so alt war wie die Rasse selbst.

Ich hatte nach und nach beim Schreiben meiner Erzählungen über Jessika das Geheimnis erkundet, jedoch war ich noch lange nicht bis zu seinem Kern vorgedrungen. Als ich über Jessika in Italien schrieb, hatte ich vor, noch einiges zu erforschen, woher die unerschöpflichen Geldmittel der Nephilim stammten, woran sie einander erkannten, ob sie alle im Dienst jenes Wesens, das den Namen Nitzrek trug, standen …

Und dann war mir am Ende der Erzählung Jessika abhanden gekommen. Um nun im echten Leben, während ich nichts vorhatte als ein paar Tage Urlaub zu machen, aufzutauchen. Vielleicht hatte ich mit meiner ersten Vermutung, den Verstand zu verlieren, doch recht gehabt.

Als ich beim Zoo ankam, saß Jessika bereits am Ufer. Das Licht des Mondes und der Sterne war nicht sonderlich stark, aber da meine Augen sich längst an das Dunkel gewöhnt hatten, sah ihr ihr vergnügtes Grinsen recht deutlich, als ich aus dem Wasser stieg und auf sie zu ging.

»Ich habe einen Wunsch frei«, triumphierte sie.

»Meinetwegen. Obwohl das Wettschwimmen unfair war.«

»Du glaubst mir also inzwischen, dass ich ich bin?«

»Darüber muss ich noch nachdenken.«

Wir wanderten am Ufer entlang zurück zur Bootsrampe, wo unsere Kleidung lag. Es war kein Mensch außer uns unterwegs, worüber ich recht froh war, denn ich war mir nicht so sicher, wie es die Tschechen mit dem öffentlichen Nacktsein hielten. Als wir wieder bei der Bank waren, zwanzig Minuten später, hatte uns die Luft getrocknet, abgesehen von Jessikas Haaren. Meine waren kurz genug, um schon nach fünf Minuten zu trocknen.

Jessika nahm meine Jeans und fischte Zigarettenschachtel samt Feuerzeug aus der Hosentasche. Sie zündete zwei Zigaretten an, reichte mir eine und sagte: »Das Muttermal ist vorhanden. Du versuchst zwar die ganze Zeit, nicht auffällig hinzuschauen, aber vielleicht solltest du dich überzeugen, damit du nachher beruhigt schlafen kannst, ohne ständig zu grübeln?«

Sie entzündete das Feuerzeug und hielt es nahe an ihre Haut.

»Verbrenn dich nicht ausgerechnet dort«, sagte ich und pustete die Flamme aus.

»Wir heilen schnell, das weißt du ja inzwischen.«

»Ja, aber das muss ja nun nicht sein.«

Sie trug tatsächlich den sternförmigen Leberfleck auf dem Venushügel, von dem ich den Lesern meiner Erzählungen nie etwas erzählt hatte. Dieses Merkmal war nur mir bekannt, aufgespart für eine eventuelle Fortsetzung der Geschichte als unverwechselbares Kennzeichen der Nephilim, alle Mitglieder der Rasse sollten es gleichermaßen tragen. Aber das hatte ich noch nicht geschrieben. Ich hatte erwähnt, dass Jessika, genau wie die italienische Artverwandte Alesia, keine Körperbehaarung hatte, aber das traf heutzutage auf viele, wenn nicht die meisten Frauen zu. Schamhaare und Achselhaare waren seit Jahren aus der Mode gekommen, zunehmend auch bei Männern. Dieses sternförmige Muttermal jedoch war einzigartig.

Wir rauchten unsere Zigaretten schweigend auf, dann zogen wir uns an und fuhren zurück zum Hotel. Es war kurz nach Mitternacht, als wir auf dem Parkplatz ankamen.

Jessikas musste den rechten Hotelaufgang benutzen, um zu ihrem Zimmer zu kommen, ich den, der von der Raucherlounge ausging. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und sagte: »Danke für den schönen Nachmittag und Abend. Schlaf gut, Johannes.«

»Gute Nacht, Jessika.«

»Und vergiss nicht: Ich habe einen Wunsch frei!«

Bevor ich noch fragen konnte, wann sie diesen zu äußern vorhatte, verschwand sie im Treppenhaus ihres Aufgangs.

In meinem Zimmer angekommen zog ich mich aus, um eventuelle Reste des Seewassers mittels einer ausgiebigen Dusche von meiner Haut zu entfernen. Als ich in das Badezimmer kam, sah ich das Foto, das mir Jessika vor dem Abendessen gezeigt hatte. Es war an den Spiegel über dem Waschbecken geklemmt. Mit Lippenstift hatte jemand Ich bin immer noch verliebt auf das Glas geschrieben.

Wann hatte Jessika Gelegenheit gehabt, mein Zimmer zu betreten? Gar nicht. Wie kam dann das Foto hier her? Gar nicht. Aber es war zweifellos vorhanden, ich konnte es betrachten, in die Hand nehmen, drehen und wenden wie es mir beliebte. Das wiederum war völlig ausgeschlossen – so wie die ganze Geschichte dieses Tages.

Ich werde also doch verrückt. Bin verrückt geworden. Für einen Traum dauert das alles viel zu lange, fühlt sich viel zu echt an.

Echt war auch die unerwartete Regung des Körperteils, das auf der Rückseite des Fotos als Johannes sein Johannes bezeichnet wurde. Die ganze Zeit am und im See, die ich nackt mit einer attraktiven Nackten verbracht hatte, war nichts dergleichen geschehen, und jetzt beim Anblick eines uralten Fotos richtete sich Johannes sein Johannes energisch auf …

Ich. Habe. Den. Verstand. Verloren. Punktum und basta!

Ich duschte lange, genoss das warme Wasser auf der Haut, überlegte, ob ich meine Erektion ignorieren oder für Entspannung sorgen sollte. Ich musste über das Eigenleben unter meiner Gürtellinie schmunzeln. Damals war mir das so tödlich peinlich gewesen, als wäre etwas Verbotenes an einem steifen Penis. Natürlich wusste ich mit 13 Jahren längst, dass dieser Zustand Ausgangspunkt für genüssliche Minuten sein konnte, aber eben nur in meinem Bett oder im Badezimmer hinter verschlossener Tür. Im Schwimmbad, wo Mädchen zugegen waren, imponierte ich gerne mit meinen Muskeln und meinem Mut, vom 5-Meter-Brett zu springen, aber die Aufmerksamkeit der Klassenkameraden oder sonstiger Menschen sollte sich nicht auf meine Körpermitte richten. Dass dann auch noch eine Aufnahme in der Klasse kursierte, war unerträglich.

Jessika wollte die damalige Fotografin gewesen sein? Meine Erinnerungen an Franziska waren sehr dürftig, ein eher unscheinbares, dürres Mädchen, zurückhaltend, fast scheu. Ihr Gesicht konnte ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen.

Damals schrieb ich schon Geschichten auf, auch Gedichte, aber dass ich jemals über Franziska geschrieben hatte, war sehr unwahrscheinlich. Jessika hatte ich erst viel später erfunden, womöglich hatte mein Unterbewusstsein dabei auf die Schulkameradin zurückgegriffen? Die Psychologie war meine Stärke nicht, also konnte ich auch solche Zusammenhänge nicht ausschließen. Aber wo kam das Foto her?

Irgendwie musste ich mir darüber klar werden, was hier eigentlich vor sich ging. Die Fakten waren so einfach wie unerklärlich: Eine ersonnene Person taucht im wirklichen Leben auf und entpuppt sich als Wesen mit eigenem Willen. Eine vernünftige Erklärung wäre gewesen, dass eine Leserin meiner Erzählungen sich so sehr mit der fiktiven Jessika identifiziert hatte, dass sie in deren Rolle hineingeschlüpft war. Allerdings hätte die von einer solchen Leserin verkörperte Jessika keine Kenntnisse aus meinem Leben haben können, die ich nie und nirgends preisgegeben hatte. Und es war auch kaum vorstellbar, dass jemand dermaßen dem Bild entsprechen konnte, das ich mir über Jahre hinweg von Jessika gemacht hatte. Das Muttermal schließlich schloss diese Möglichkeit endgültig aus.

Eine alternative Erklärung fiel mir nicht ein. Ich konnte nur versuchen, mit Experimenten der Sache auf den Grund zu gehen.

Ich drehte das Wasser aus und trocknete mich ab. Mein Penis hatte sich von selbst wieder beruhigt, offensichtlich war das Grübeln über Dinge und Zusammenhänge, die es nicht geben konnte, seiner Durchblutung nicht förderlich.

Das Foto verstaute ich zwischen den Seiten des Romans, den ich gerade las, ich fand, dass es recht gut zu Paul Austers Sunset Park passte, denn das Kapitel mit den Aktzeichnungen hatte ich bereits gelesen. Ich nahm mein Notebook und begann zu schreiben:

Als Jessika aufwachte, spürte sie Nitzreks Gegenwart. Es war dunkel im Zimmer, als sie schlafen ging, hatte sie die Vorhänge zugezogen, um nicht von der Morgensonne geweckt zu werden.

»Nitzrek? Bist du da?«

»Du handelst nicht klug. Was willst du von Johannes?«, hörte sie die rätselhafte, Jahrhunderte alte und doch junge Stimme, die mehr in ihrem Kopf als im Zimmer zu entstehen schien.

Jessika richtete sich zum Sitzen auf und erwiderte: »Ich will wissen, wer er ist. Warum er mich begleitet, seit so vielen Jahren. Ihn kennen lernen. Hinter seine Geheimnisse kommen.«

»Du bringst dich in Gefahr. Dich und andere Nephilim. Das ist nicht klug.«

Jessika wagte es, zu widersprechen: »Johannes ist keine Gefahr. Er hat mich – uns – weder in Italien, noch sonst irgendwann ans Messer geliefert.«

»Mein Kind, er schreibt über dich! Er taucht tiefer und tiefer in unsere Welt ein und schreibt darüber.«

»Soll ich ihn ins Jenseits bringen? Du weißt, dass ich es tun würde, so wie ich Bernd nicht verschont habe. Dein Wort gilt.«

Nitzrek schwieg. Jessika überlegte, wie sie das auslegen sollte. Bisher hatte sie nie gehandelt, ohne einen klaren Auftrag zu haben. Manchmal gab es Kollateralschäden, das war nicht zu vermeiden, das wusste auch Nitzrek. Aber ohne Anweisung hatte sie nie ein Menschenleben beendet, es sei denn in Notwehr wie vor ein paar Monaten am Lago di Montepulciano, als der Rockerangriff geschah. Johannes hatte getan, was er konnte, um ihr zu helfen. Seine menschlichen Fähigkeiten waren zwar unzulänglich, aber er hatte es versucht. Er konnte kein Feind sein, keine Gefahr darstellen.

»Nitzrek? Bist du noch da?«

Noch nie hatte sie Nitzreks Stimme so sanft gehört: »Mein Kind, du liebst ihn wohl, diesen Menschen?«

»Ich weiß nicht, was Liebe ist. Aber vielleicht nennt man das, was ich empfinde, so? Johannes ist anders als andere Menschen und ich will nur in seiner Nähe sein, so viel begreife ich.«

»Wenn wir uns mit Menschen einlassen, gibt es oft Probleme.«

»Das weiß ich. Aber du kennst diesen einen Menschen besser als andere, hast du dich ihm nicht an jenem See in Italien genähert?«

»Ich wollte dich nicht verlieren, mein Kind.«

»Er konnte mir nicht helfen, aber er hat alles versucht, was er konnte. Ich will ihn endlich richtig kennen lernen.«

»Gut. Einstweilen sei es so. Am Mittag um 11:30 Uhr steigst du auf den černá věž. Dort sitzt ein 12jähriges Mädchen im roten Kleid ...«

Die Übersetzung für »schwarzer Turm« hatte ich gegoogelt, Nitzrek sollte ruhig auch ein wenig Tschechisch können. Ich speicherte den Text und legte mich ins Bett. Meine Armbanduhr zeigte 02:37 Uhr. Ein paar Stunden Schlaf wollte ich Jessika gerne gönnen. Mir natürlich auch.

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Nun stellt sich die Frage mit der Frage an die geschätzten Blogbesucher. Ich könnte so tun, als überließe ich ihnen die Entscheidung, ob Jessika um 11:30 auf den schwarzen Turm steigt oder nicht, aber das Ergebnis wäre sowieso schon klar. Natürlich wollen die Leser Jessika da oben sehen, denn es muss ja in dieser Staffel von Fortsetzungen endlich mal jemand zu Tode kommen. Also frage ich ausnahmsweise etwas, was mit dem Fortgang der Geschichte nichts zu tun hat.

 

Ich schwimme ...
... gerne ohne Textilien.
... niemals ohne Textilien.
... ab und zu ohne Textilien.
Was sind Textilien?
Auswertung

Fortsetzung folgt demnächst, ein Teil ist schon geschrieben.

Mittwoch, 1. Juni 2011

Der Juni fängt gut an …

… denn heute war so etwas Ähnliches wie ein Freitag, morgen gibt es Bluegrass Musik umsonst und draußen und am Freitag habe ich die Ehre, hier die Fortsetzung der Jessika-Erzählung zu präsentieren.

Was will man mehr …