Dienstag, 1. März 2011

Gute Idee: Zur Wahrheit stehen.

Die evangelische Kirche in Deutschland hat ihre traditionelle Fastenaktion »Sieben Wochen ohne« in diesem Jahr unter ein Motto gestellt, das für manche Menschen schwieriger zu bewältigen sein dürfte als der Verzicht auf Fleisch oder Alkohol oder sonst etwas Äußerliches: »Ich war’s! Sieben Wochen ohne Ausreden.«

Wie hilfreich im Miteinander sind doch Ausreden, meinen wir oft. »Ich habe verschlafen – daher bin ich zu spät im Büro.« Wer würde das gerne sagen, wenn sich doch auf der Autobahn so häufig ein Stau entwickelt? »Entschuldigung, ich habe vergessen Ihre Rechnung zu bezahlen.« Wie viel bequemer scheint es doch zu sein, zu behaupten, dass der Brief wohl auf dem Postweg verloren gegangen sein muss …

Aber ist das wirklich bequemer und angenehmer? Auf den ersten Blick vielleicht. Jedoch: Wer lügt (schummelt / verschweigt / umschreibt / schönredet …) braucht ein gutes Gedächtnis. Sonst verheddert er sich früher oder später in Widersprüche. Selbst bei gutem Erinnerungsvermögen kann eine längst vergangene Schummelei sogar einen Bundesminister irgendwann einholen.

»Ich war’s! Ich habe kopiert und eingefügt und das Ergebnis dann als meine Doktorarbeit abgegeben.« Ein solcher Satz hätte dem Ertappten wohl mehr Respekt eingebracht als wochenlange Ausreden und Ausflüchte und Versuche, vom Betrug abzulenken. Selbst dieses Eingeständnis hätte zumindest Achtung vor der Aufrichtigkeit zur Folge gehabt: »Ich war’s! Ich habe mir die Doktorarbeit schreiben lassen und sie dann nicht auf Plagiate überprüft, weil ich dem Ghostwriter vertraut habe.«

Nun ist es immer ein Leichtes, mit dem ausgestreckten Finger auf jemanden zu zeigen, der ertappt worden ist, sei es ein prominenter Minister, sei es Lieschen Müller von nebenan. Wie leicht erkennt man doch den Splitter im Auge eines anderen Menschen, und wie schwer fällt es, den Balken im eigenen Auge einzugestehen.

Es mag schwer fallen, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es der bessere Weg ist, ein Fehlverhalten einzugestehen, anstatt Ausflüchte zu suchen. Wer zugibt, dass er einen Fehler gemacht hat, kann eher damit rechnen, dass man ihm eine zweite Chance einräumt als jemand, dem man sein Fehlverhalten nachweisen muss, während er es noch leugnet und die Schuld von sich zu weisen versucht.

»Ich war’s! Sieben Wochen ohne Ausreden.« Vielleicht kommt der eine oder andere, der sich auf dieses Experiment der evangelischen Kirche einlässt auf den Geschmack und macht nach den sieben Wochen weiter? Dazu muss man weder evangelisch sein noch muss man bis zum offiziellen Beginn der Fastenaktion am 13. März warten. Damit kann man schon heute anfangen, als Moslem, als Christ, als Atheist …

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