Dienstag, 30. Oktober 2012

Von der Gewöhnung an Ungewöhnliches

Nun neigt sich meine Chemotherapie dem Ende zu, noch zwei Wochen bis zum »offiziellen Ende«. Ein langer Weg war es seit dem 8. Mai … beschwerlich oft, mit Unfällen und Ausfällen … aber andererseits hätte alles schlimmer und sicher noch unangenehmer sein können, wenn der Katalog der möglichen Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen einigermaßen realistisch ist.

Gelernt habe ich, dass es – zumindest für mich – immer die bessere Wahl ist, sich mit einer unguten Situation (einstweilen oder dauerhaft) abzufinden und zu sagen: »So ist es jetzt. Da kann ich nichts ändern. Aber das Leben kann trotzdem weiter gehen, der Alltag kann trotzdem bewältigt werden.« Anstatt mich auf das Sofa zu kauern und zu schmollen (warum ausgerechnet ich) und zu hadern (muss das jetzt auch noch sein) und mich zurückzuziehen (dann mache ich eben gar nichts mehr und bleibe hier sitzen).

Scherben von SXC.huZum Beispiel: Meine Finger sind überwiegend taub, gefühllos. Das beeinträchtigt die Arbeit am Computer … aber ich habe mich an das »taube Tippen« gewöhnt. Mir fällt auch so manches aus den Händen, was ich festzuhalten glaube. Vom Autoschlüssel bis zum Marmeladeglas. Bei ersterem Gegenstand geschieht nichts weiter, als dass ich ihn wieder aufhebe, bei letzterem entsteht ein Scherben-Marmelade-Gemisch, das zu entsorgen ist. Trotzdem decke ich am nächsten Tag wieder den Frühstückstisch. Halte eben die Gegenstände noch etwas fester (soweit das ohne Gefühl graduiert werden kann) und trage kostspieligeres Geschirr mit zwei Händen durch die Gegend anstatt mit einer.
Dabei sind dann Scherben nicht auszuschließen, die schöne grüne Vase hat am Rand nun zwei abgeplatzte Stellen, wir besitzen ein Marmeladegefäß weniger, auch ein Trinkglas ging unlängst den Weg alles Irdischen … aber die Alternative, nichts mehr in die Hand zu nehmen, passt eben nicht zu mir.

Die Zehen sind gleichermaßen taub, als wären sie nicht mehr Teil der Füße. Dadurch stolpere ich leicht … und setzt nun bewusster und womöglich langsamer Fuß vor Fuß, anstatt nicht mehr rauszugehen. Na und? Bin ich etwa in Hektik und Eile? Nein. Wenn die Hunderunde zehn oder zwanzig Minuten länger dauert als sie schnellen Schrittes dauern würde, was macht das schon? Nichts. Max, der Vierbeiner, freut sich und mir schadet es schon gar nichts.

Kleine Wunden heilen sehr sehr langsam zu, eine Abschürfung am Ellenbogen ist nun 2 Wochen alt und noch nicht ganz zu, ein Minischnitt am Finger vom Samstag blutet noch immer gerne frisch vor sich hin, wenn das Pflaster mal ein paar Minuten ab ist. Verständlicherweise bin ich nun mit Messern und anderen auch nur annähernd scharfkantigen Gegenständen (einschließlich der Folienverpackung meiner Chemo-Tabletten, der ich den Schnitt am Finger zu verdanken habe) besonders vorsichtig. Ich gewöhne mich so an die Tatsache, dass mein Blut zur Zeit nicht in einem auch nur halbwegs normalen Zustand ist und deshalb seine Funktionen nicht erfüllen kann. Das wird sich nach Ende der Chemotherapie ja wieder normalisieren, heißt es aus Ärztemund.

Man gewöhnt sich an Ungewöhnliches, auch was die körperliche Tüchtigkeit betrifft, wenn man es nur will. Und mal ehrlich: Verglichen mit jemandem, der auf Rollstuhl und fremde Hilfe angewiesen ist, geht es mir ganz und gar hervorragend.

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Montag, 29. Oktober 2012

Schon über Weihnachtsgeschenke nachgedacht?

Hinter dem Bild verstecken sich ein paar Vorschläge.

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Samstag, 27. Oktober 2012

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Nun denn. Zyklus 8, der letzte.

Heute startet nun also Zyklus 8 der Chemotherapie. So Gott will und wir leben und kein Krebs mehr auftaucht, der letzte Zyklus.

acht

Die Blutwerte, insbesondere die Granulozyten,sind im Vergleich zum Mittwoch der vergangenen Woche soweit erholt, dass die Behandlung fortgesetzt werden kann. Allerdings sind die Thrombozyten auf einem historischen Tiefpunkt angelangt – was ich schon ohne Blutbild daran gemerkt habe, dass eine Schürfwunde am Ellenbogen einfach nicht zuheilen will. Nun ja, da braucht es, wie bei so vielem, Geduld.

Immerhin geht die Chemotherapie weiter und damit in absehbarer Zeit zu Ende, wie letzte Woche mit dem Arzt besprochen ohne Oxaliplatin-Infusion bei diesem letzten Mal, um die vorhandenen Nervenschädigungen nicht noch zu vergrößern.

Ich bin gespannt, wie lange dann nach Abschluss der Therapie mein Rückenmark braucht, um wieder ein halbwegs gehaltvolles und funktionstüchtiges Blut herzustellen. Sobald das Immunsystem wieder funktioniert, kann ich ins Arbeitsleben zurückkehren – und so wird sich dann nach und nach Normalität wieder einstellen.

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Montag, 22. Oktober 2012

Träume, Tränen, Traumata

Ein neues Kindle-Buch ist im Entstehen. Mein neues Kindle-Buch. Mit der Zusammenstellung und Überarbeitung hatte ich im Sommer 2011 angefangen, im Februar 2012 war ich fast fertig. Dann geschah dieses und jenes, was treuen Bloglesern nicht verborgen geblieben ist.

Eigentlich wollte ich zuerst meinen nächsten Roman, Jessika lautet der Arbeitstitel, in seine endgültige Form bringen, aber das dauert noch. Jessika ist in mancher Beziehung ziemlich widerspenstig. Also warum nicht zuerst das Kindle-Projekt vollenden? Eben! Warum nicht!

Elektronische Bücher haben natürlich keinen Umschlag, aber so sieht (voraussichtlich, die Künstlerin, von der das Bild stammt, hat noch nicht geantwortet) der Umschlag aus:

Corridor Sky

Ein erster Blick ins Buch sei auch schon erlaubt:

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Zu wenig Text? Das war doch nur die Titelseite! Wer elektronisch umblättert, sieht dann natürlich mehr als Titel, Untertitel und Autor:

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Und zu guter Letzt noch eine zufällig ausgewählte Seite, ich will ja nicht knauserig mit den Bildern sein:

3

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Mal wieder abwarten

Eigentlich sollte gestern Zyklus 8 der Chemotherapie beginnen, der letzte Zyklus. Vorausgesetzt natürlich, es taucht nicht irgendwann wieder Krebs auf.

Die Blutwerte waren jedoch wieder so miserabel, dass eine weitere Woche ohne Chemie vonnöten ist. Bei der letzten Verschiebung, vom 19. September auf den 26. September, war die Besserung ausreichend. Mal sehen, was sich nächste Woche am Mittwoch dann herausstellen wird.

Zyklus 8 wird jedenfalls ohne Oxaliplatin und nur mit Xeloda-Tabletten stattfinden, da die Schäden an den Nerven durch das injizierte Metall bereits jetzt so groß sind, dass der Arzt eine weitere Schädigung nicht mehr verantworten kann. Vor allem, erklärte er uns (die beste aller Ehefrauen war dabei), weil Schäden an den Nerven noch bis zu sechs Wochen nach der Infusion auftreten beziehungsweise zunehmen können. Medizinisch ausgedrückt hörte sich das so an: Die periphere-sensorische Neuropathie führt zur Dosislimitierung.

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Wie so oft im Leben gibt es zwei Seiten der Medaille. Die Nebenwirkungen sind erheblich, das Blut ruiniert … was ein Zeichen dafür ist, dass auch Krebszellen, falls nach der Operation noch irgendwo in mir welche unterwegs gewesen sein sollten, ruiniert sein müssten. Sollten. Dürften.

Verlässliche Aussagen und Prognosen gibt es nicht, damit lebt man als Krebspatient. Möglicherweise dauert es nach Ende der Chemotherapie drei Monate, bis mein Körper wieder ein funktionierendes Immunsystem aufgebaut hat. Es kann aber auch schneller gehen oder länger dauern. Vielleicht schwinden einige Nervenschädigungen nach und nach. Sie könnten aber auch dauerhaft sein.

Nun denn. Abwarten und Kaffee trinken. Und nie die Hoffnung aufgeben.

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Dienstag, 16. Oktober 2012

Sieben Monate später–der achte Zyklus kommt

Es kommt mir vor, als sei so viel Zeit noch gar nicht vergangen, aber ich kann ja schwarz auf weiß nachlesen, was ich notiert habe:

inf… Am 15. März wurde ich mit dem Notarztwagen in das Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin Steglitz eingeliefert. In den ersten Tagen habe ich keine Aufzeichnungen gemacht, da ging es nur darum, zu überleben. …

Sieben Monate – voller Ereignisse mit unterschiedlichen Empfindungen: Höhen, Tiefen, Schrecken, Freude, Hoffnung, Bangen, Aufrappeln, Durchhalten, Angst, Erleichterung … eine ziemliche, nie so recht vorhersehbare Bandbreite. Und alles in allem gesehen kann und darf und muss ich sagen: Es geht mir verhältnismäßig gut.

Warum?

Zum einen ganz sicher deshalb: Eva, die beste aller Ehefrauen, hat treu an meiner Seite gekämpft, durchgehalten, Mut gemacht, Hoffnung geweckt, Freude geschenkt. Sie war und ist da, bei mir, in der Nähe, und schon das gibt mir viel Kraft, selbst wenn sich im Alltag nichts »Besonderes« ereignet. Allerdings hat sie auch so manches Besondere in die Wege geleitet.

Zum anderen sicher auch deshalb: Sehr viele Verwandte und treue Freunde haben uns durch diese sieben Monate begleitet mit ihren lieben und guten Wünschen, Trost- und Hoffnungsworten, Gebeten, Geschenken, Nachfragen, Mitempfinden … manche haben wir erst durch die Krebserkrankung so richtig oder noch besser kennen gelernt.

Morgen wird – falls die Blutwerte dies zulassen – der achte und letzte Zyklus der Chemotherapie beginnen. In drei Wochen dann, am 6. November, ist die Behandlung beendet, falls morgen wie vorgesehen die Infusion stattfinden kann. Dann heißt es viereinhalb Jahre abwarten, von Untersuchung zu Untersuchung. Fünf Jahre nach der Operation würde ich dann, sofern kein Krebs auftaucht, aus medizinischer Sicht als geheilt gelten.

Geheilt – das ist etwas, was ich aber jetzt schon hoffen und glauben möchte, nicht erst im März 2017. Mein Glaube ist ein zurückhaltender, zögerlicher, in gewisser Weise sehr unsicherer Glaube. Der stürmische, feste, unbelehrbar siegreiche Glaube ist mir abhanden gekommen, als beide Schwiegereltern trotz solchen Glaubens (in sich selbst und ringsumher) am Krebs gestorben sind. Dass Gott, wie immer wir ihn auch erkennen und benennen mögen, zu heilen vermag, daran zweifle ich keineswegs, denn das habe ich selbst schon erlebt. Dass wir ihm ein solches Eingreifen nicht abverlangen können, zeigt die traurige Realität nicht nur in der eigenen Familie.

Nichtsdestotrotz: Der vielfältige Beistand, den Eva und ich erleben durften und hoffentlich auch weiter erleben werden, durch so viele mitempfindende Menschen, die Gebete, ob nun »zum Universum« oder zu einem namentlich benannten Gott, von für mich angezündeten Kerzen in katholischen Kirchen bis zu ganz und gar weltlich-irdischen Genesungswünschen … für all das sage ich heute ein herzliches und tief empfundenes Dankeschön!

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Donnerstag, 11. Oktober 2012

Demnächst

jessika

… soll wieder einmal Lesestoff aus meiner Feder gedruckt erscheinen. Datum? Noch unbekannt. Verlag? Noch nicht endgültig entschieden.

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Mittwoch, 10. Oktober 2012

Wahrscheinlich weißt du es noch nicht

oneLiebe Blogbesucher (beiderlei Geschlechts),

wahrscheinlich weißt du es noch nicht, aber du rettest, falls du Europäer bist, Leben. Denn als Europäer hast du durch die EU dazu beigetragen, dass Millionen Kinder eingeschult wurden und dass Millionen Menschen sauberes Trinkwasser haben. Deshalb bist du ein Lebensretter.

Aber die lebensrettende EU-Entwicklungshilfe ist bedroht.

Bitte unterschreibe auch du eine Petition, die EU-Regierungschefs bittet, ihr Versprechen gegenüber Menschen in extremer Armut einzuhalten:

Die Petition bei ONE lesen und unterschreiben

Bitte mach mit, damit die EU weiterhin Leben rettet und Menschen dabei hilft, sich aus der Armut zu befreien.

Vielen Dank!

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Dienstag, 9. Oktober 2012

Wie ich einmal ins Wasser fiel

Jetzt schon an Weihnachten denken und Geschenke besorgen! Zum Beispiel für eher empfindliche und zartbesaitete Leseratten mein Buch »Gänsehaut und Übelkeit« … damit es mit der Empfindlichkeit mal ein Ende hat und die Saiten etwas gehärtet werden.

Um die Entscheidung leichter zu machen, folgt hier eine Leseprobe. Es handelt sich um einen »ungeschriebenen Aufsatz« von Sandra A., 14 Jahre alt. Was ein ungeschriebener Aufsatz ist? Das kann ich noch schnell vorab erklären:

Wer erinnert sich nicht an die manchmal unsäglichen Themen, die im Deutschunterricht vom Lehrer an die Tafel geschrieben wurden? Da sitzt man dann und versucht, sich etwas Passendes einfallen zu lassen, ohne das Thema zu verfehlen. Meist kommt belangloses Geplänkel dabei heraus.

Was aber würden Schülerinnen und Schüler zu den vom Lehrer gestellten Themen schreiben, wenn sie die Wahrheit schrieben? Ich schlüpfe für solche »ungeschriebenen Aufsätze« in die Haut - oder besser in das Gehirn - der Heranwachsenden und schreibe auf, was sie sich zu schreiben nicht getrauen ...

So. Genug des Vorgeplänkels. Hier die Leseprobe:

Gänsehaut und Übelkeit: ErzählungenWie ich einmal ins Wasser fiel

Eigentlich wäre ich gar nicht ins Wasser gefallen, wenn mich Martina, meine Freundin, nicht so erschreckt hätte. Sie wollte mich natürlich gar nicht erschrecken - ich war nur so vertieft in mein Experiment, dass ich Martina nicht kommen hörte. Als sie dann plötzlich hinter mir stand und fragte: »Was um Himmels willen ist denn das?«, machten meine Beine ganz von selbst einen Satz und ich landete im Teich.

Ich ärgerte mich in diesem Moment nicht so sehr über das unfreiwillige Bad, sondern es war einfach umständlich, dass ich nun meiner Mutter erklären musste, warum ich völlig durchnässt nach Hause kam und dass noch eine ganze Menge weiterer Auskünfte von mir verlangt würden. Sie kann ganz schön penetrant sein, meine Mutter, wenn sie ein Geheimnis wittert. Und man kann eigentlich Gift darauf nehmen, dass sie es merkt, wenn man ihr etwas verheimlichen möchte. Das hat sie gelernt, schließlich ist sie seit undenklich langen Zeiten bei der Kriminalpolizei.

Die Idee zu meinem Experiment hatte ich aufgrund der Tätigkeit meiner Mutter. Sie erzählt oft und gerne von ihren Erfolgen bei der Verbrechensbekämpfung. Ab und zu stritten wir darüber, ob der Begriff an und für sich passt. Denn bevor meine Mutter und ihre Kollegen tätig werden, ist ja das Verbrechen bereits geschehen, meistens jedenfalls. Sie bekämpft also den Verbrecher, nicht das Verbrechen. Sie sagt dann immer, dass sie durch die Ermittlung und Verhaftung eines Täters schließlich weitere kriminelle Handlungen des betreffenden Menschen vereiteln, und somit eben doch das Verbrechen selbst bekämpfen kann. Mir erscheint das jedoch nicht logisch.

Das perfekte Verbrechen gebe es nicht, sagt sie in jeder zweiten Diskussion. Auch darin war und bin ich anderer Meinung. Wenn nichts auf den Täter hinweist, wie sollte er dann entlarvt werden, solange es sich um einen halbwegs intelligenten Menschen handelt?

Aus solchen Diskussionen wurde mein Experiment geboren. Ich wollte herausfinden, ob die Behauptung meiner Mutter, jeder Verbrecher mache einen Fehler, der schließlich zur Entdeckung führen würde, stimmt.

Ich bereitete mich natürlich gewissenhaft auf mein Experiment vor: Ein altmodisches, aufklappbares Rasiermesser hatte ich seit Wochen mit mir herumgetragen und gelegentlich an einem Regenwurm oder einer verletzten Amsel ausprobiert. Ich wollte wissen, ob es wirklich so scharf war, wie es aussah. Gefunden hatte ich es bei einem Flohmarkt an einem Stand mit allerlei antikem Gerümpel. Der Inhaber des Standes hatte nicht bemerkt, dass das Messer in meine Jeanstasche wanderte, während ich andere Angebote aufmerksam betrachtete. Ein paar Einmalhandschuhe gehörten neben dem Messer zu meiner unverzichtbaren Ausrüstung.

Auf dem Heimweg von der Schule sprach mich dann eines Tages eine Dame mittleren Alters an, die mir völlig unbekannt war. Sie trug eine Einkaufstasche in der linken Hand, in der rechten hielt sie eine Zigarette. Als ich an ihr vorbeigehen wollte, fragte sie mich, ob ich zufällig Feuer für sie hätte.

»Nein, tut mir Leid«, antwortete ich höflich, »ich rauche nicht.«

»Das ist gar nicht verkehrt. Wenn man erst einmal anfängt, ist es schwer, wieder aufzuhören.«

Ich lächelte sie freundlich an und meinte beiläufig: »Oh, das ist gar kein Problem. Ich kenne eine todsichere Methode. Man raucht nie wieder eine einzige Zigarette.«

»Ach, tatsächlich? Wie geht das denn?«

Ich erklärte der Dame, dass ich ihr das Verfahren gerne zeigen würde, dazu müsse sie aber mit mir in den nahe gelegenen Stadtpark gehen, da man Ruhe brauche und ungestört sein müsse. Da sie nichts Eiliges vorhatte, willigte sie ein. Sie steckte die Zigarette zurück in die Schachtel, wir spazierten in den Park und setzten uns am Teich auf eine Bank.

Die Einkaufstasche stellte die Frau neben sich und holte zwei knackige rote Äpfel heraus. Sie bot mir einen an, was ich gerne akzeptierte. Wir aßen das Obst, während sie mich ein wenig ausfragte, wo ich wohnte, was meine Eltern täten und so weiter. Mir machte es nichts aus, zu antworten, da die Wahrscheinlichkeit, dass meine Gesprächspartnerin mit irgendjemandem darüber reden konnte, gleich Null war.

Das Kerngehäuse warf ich nicht in den Papierkorb neben der Bank. Wegen der Speichelspuren hätte ich ihn später wieder heraussuchen müssen. So wickelte ich den Rest des Apfels in ein Taschentuch und erklärte: »Für mein Meerschweinchen Susi.«

»Ach Gott, wie süß! Ich hatte früher auch eins.«

Wir plauderten ein paar Minuten über Haustiere. Schließlich sagte ich: »Also, Sie müssen jetzt die Augen schließen. Dann stelle ich mich hinter die Bank und begehe eine Handlung. Anschließend werden Sie nie wieder eine Zigarette rauchen.«

»Ist das ein magischer Trick?«, fragte sie mit einem amüsierten Zwinkern.

»Nein, ein absolut natürlicher Vorgang, der nichts Übernatürliches an sich hat. Ich garantiere für den Erfolg.«

Sie schloss die Augen, ich ging um die Bank herum und stellte mich hinter sie. Ein letzter Blick in die Runde: es waren keine Spaziergänger in Sicht. Dann schnitt ich die Kehle der Frau durch, ein ganz tiefer Schnitt von links nach rechts.

Die Dame, die nun tatsächlich nie wieder rauchen würde, machte ein etwas unangenehmes, gurgelndes Geräusch, so wie ein verstopfter Abfluss, wenn man mit dem Gummistopfer daran arbeitet. Es floss unheimlich viel Blut, auch deshalb hatte ich mich ja hinter den Körper gestellt. Ich wollte nichts davon auf meine Kleidung bekommen. Der Kopf sackte nach vorne und die tote Frau kippte von der Bank.

Ich zog die Einmalhandschuhe an und schleifte die Leiche erst mal ins Gebüsch, damit sie außer Sicht war. Dann holte ich die Einkaufstasche und versenkte sie im Teich. Anschließend zog ich auch die Frau ans Wasser. Mit der Spitze meines Schuhs gab ich ihr einen Schubs und sie kullerte die kurze Böschung herunter, es gab einen recht lauten Platscher - und ausgerechnet in diesem Moment tauchte Martina hinter mir auf und fragte: »Was um Himmels willen ist denn das?«

So fiel ich also ins Wasser und landete neben der Leiche.

Ich dachte geschwind nach und wusste auch gleich, wie ich sowohl meiner Mutter die nassen Kleidungsstücke erklären als auch die prekäre Situation entschärfen konnte. Eine Eliminierung meiner Freundin kam überhaupt nicht in Frage.

»Hilf mir mal, Martina«, rief ich, »vielleicht kann man sie noch retten!« Während dessen zog ich unter Wasser die Handschuhe aus und stopfte sie in meine Jeanstasche.

Martina schüttelte den Kopf und meinte: »Nee, schau doch mal den Hals an. Der ist ja durchgeschnitten. Die ist tot!«

Ich tat so, als bemerkte ich die Verletzung erst jetzt und quiekte so entsetzt wie möglich.

Nun erst schien Martina wirklich zu begreifen, was sie da vor Augen hatte: Ein frisches Mordopfer, so frisch wie die Krabben im Fischladen an der Ecke. Sie begann zu kreischen und wild mit den Armen zu fuchteln, dann rannte sie davon in Richtung Straße. Ich hörte sie noch aus weiter Ferne aus vollem Hals brüllen: »Hilfe! Hilfe! Sie ist tot! Hilfe!«

Ziemlich schnell versammelten sich zahlreiche Menschen am Ufer.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Meine Zeugenaussage war nicht sehr ergiebig. Ich erzählte, dass ich beim Bummeln im Park das Blut bei der Bank gesehen hatte, neugierig war, was man einem Teenager leicht abnimmt, die Frau im Wasser entdeckte und hineinsprang, um womöglich zu helfen, was man mir als Heldentat hoch anrechnete. Ich hatte niemanden gesehen, der als Mörder in Frage kam und wusste sonst nichts zu berichten.

Meine Mutter sorgte dafür, dass ich nach dieser Aussage nicht weiter behelligt wurde, sie schleppte mich zu einem Psychiater, der meinen Schock, den ich so gut wie möglich simulierte, zu behandeln versuchte, und im Lauf der Zeit geriet der Mord im Park in Vergessenheit.

Inzwischen ist ein Jahr vergangen. Ich gehe davon aus, dass mein Experiment gelungen ist: Man kann den perfekten Mord begehen.

Quod erat demonstrandum.

Na? Hat die Lektüre Lust auf mehr gemacht? Bestellen kann man das Buch bei Amazon: Gänsehaut und Übelkeit: Erzählungen

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Donnerstag, 4. Oktober 2012

Zyklus 7 – der Vorletzte.

KrebspatientenpassMeine Blutwerte am 26. September waren nicht gerade berauschend gut, aber do so weit gebessert, dass der siebte Zyklus der Chemotherapie nach einwöchiger Verzögerung starten konnte.

Die Nebenwirkungen, vor allem das verhasste Hand-Fuß-Syndrom, setzten schon am gleichen Tag ein und schlugen dann am Donnerstag vehement zu. Erst seit Dienstag geht es mir wieder einigermaßen erträglich: Die Übelkeit beschränkt sich auf ein Maß, bei dem ich fast durchgehend ohne zusätzliche Tropfen auskomme und die Schmerzen in den Händen lassen sich mit Handschuhen und Vorsicht bändigen.

Es geht mir, Gott sei es gedankt, nach wie vor besser, als angesichts all der möglichen Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen anzunehmen wäre. Manches, wie die Impotenz und die nach wie vor deutliche Schädigung des rechten Armes, wird wohl erst nach und nach besser werden, wenn die ganze Chemotherapie überstanden ist. Dann sollte sich auch, so die Ärzte, wieder ein Immunsystem aufbauen und letztendlich ein normales Leben einkehren.

Die zusätzliche Woche Chemiepause war – so im Nachhinein betrachtet – ein wahrer Segen, denn meinen Geburtstag konnte ich dadurch unbeschwert von den nunmehr seit Monaten üblichen Symptomen genießen. Die beste aller Ehefrauen hatte für mich eine Überraschungsparty organisiert, zu der Gäste aus nah und ziemlich fern erschienen – eine riesige Freude für mich, eine rundum gelungene Überraschung und wunderbare Stunden mit lieben Menschen – ich war und bin sehr dankbar und glücklich darüber. Eva hatte so geheim gearbeitet, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, was da auf mich wartete …

Eine solch wunderbare Frau an meiner Seite zu haben ist ein Geschenk, dessen Wert ich wohl kaum jemals hoch genug einschätzen kann. Ich bin mir sehr sicher, dass ich ohne Eva heute in einem wesentlich schlechteren Zustand wäre – falls überhaupt noch hier auf diesem Planeten. Die beiden Momente im Krankenhaus, bei denen der Tod neben dem Weiterleben eine reale Option war, werde ich wohl so bald nicht vergessen.

Nun heißt es, noch eine weitere Woche die inzwischen ziemlich verhassten Tabletten schlucken, dann eine Woche Pause und schließlich, falls die Blutwerte es zulassen, ab dem 17. Oktober der achte und letzte Zyklus. Wenn auch der überstanden ist, schlage ich dann ein weiteres neues Lebenskapitel auf mit der Überschrift Nach Krebs und Chemotherapie – Fünf Jahre Wartezeit bis zur dokumentierten Heilung.

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Montag, 1. Oktober 2012

Kreatives Schreiben–kann man lernen

»Talent ist billiger als Tafelsalz. Was das talentierte Individuum vom erfolgreichen unterscheidet, ist eine Menge harter Arbeit«, sagt Stephen King, einer der populärsten Erzähler unserer Zeit, der einst mit Horrorgeschichten seine Karriere begann und heute zu den besten Romanschriftstellern weltweit zu zählen ist. Begabt zum Schreiben sind viele Menschen, sie währen auch gewillt, Fleiß und Mühe aufzuwenden, nur wissen sie manchmal nicht, wie sie anfangen sollen, welche Tipps und Tricks es gibt, auf welche Fehler man achten sollte.

Mancher hält sich auch, meist zu Unrecht, für unbegabt. »Schreib wie du sprichst, so schreibst du schön«, riet Gotthold Ephraim Lessing seiner Nichte, die sich nicht traute, etwas zu Papier zu bringen, weil sie sich für völlig untalentiert hielt. Die Nichte folgte nach einigem Zögern dem Rat und siehe da: Es entstanden nach und nach sehr ansehnliche Ergebnisse.

Günter J. Matthia, Autor mehrerer erfolgreicher Bücher, auch als Ghostwriter und Übersetzer aktiv und Verfasser zahlreicher Artikel für diverse Zeitschriften, hat sich vorgenommen, seinen Erfahrungsschatz mit Interessierten zu teilen. »Kreatives Schreiben« soll Schreibwerkstatt, Kurs und Workshop in einem sein, wobei die Betonung auf dem gemeinsamen Arbeiten und Experimentieren liegt. Vorlesungen, Frontalunterricht … nein, so etwas soll nicht aus der Reihe von Veranstaltungen werden. Dem Initiator schwebt vielmehr eine gemeinsame Entdeckungsreise vor, je unterschiedlicher die Teilnehmer sind, desto abwechslungsreicher und spannender wird das Ganze.

Geeignet ist das Angebot für alle, die Lust darauf haben, sich beim Schreiben auszuprobieren. Jugendliche, Erwachsene, Männer, Frauen, mit Schreiberfahrung und ohne … Christen, Moslems, Atheisten, Buddhisten, Hindus … Dicke, Dünne, Dunkle, Helle … Heteros, Schwule, Ambivalente … herzlich willkommen!

Die kostenlose Veranstaltungsreihe findet voraussichtlich ab Januar 2013 jeweils am ersten Mittwoch im Monat um 18 Uhr in Berlin Steglitz (Nähe Schlossstraße) statt. Falls Material benötigt wird, bezahlt jeder selbst seinen Anteil.

Wer Interesse hat, dabei zu sein, melde sich bitte bald, damit die notwendigen Vorbereitungen und Planungen gelingen. Dabei den Absender (E-Mail oder Postadresse) nicht vergessen, damit genauere Informationen für die Interessierten rechtzeitig und richtig ankommen. Kontaktdaten: Günter J. Matthia, Soester Str. 21-23, 12207 Berlin – oder via [E-Mail]

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