Mittwoch, 30. Juli 2014

Nach dem Stress: Druck entweichen lassen

Es kommt vor, so sehr man sich auch um ein entschleunigtes und mit Achtsamkeit erfülltes Leben bemüht: Jede Menge unaufschiebbare Aktivitäten, 100 E-Mails, dazu Anrufe und Kunden oder Kollegen, die dauernd etwas wollen … Stress am laufenden Band. Manchmal gelingt es noch nicht einmal, mitten in solchen Tagen innezuhalten und wenigstens ein paar Minuten zur Ruhe zu kommen. Man versucht zwar, dabei möglichst ruhig und gelassen zu bleiben, aber der innere Druck steigt und steigt.

Nach solchen Tagen muss der Druck abgebaut werden, damit er uns nicht den Feierabend versaut und womöglich noch den nächtlichen Schlaf beeinträchtigt.

Dazu gibt es eine Reihe von bewährten Möglichkeiten, die natürlich wiederum nicht alle für jeden taugen. Aber einige der Vorschläge sind garantiert auch für meine geschätzten Leser praktikabel und hilfreich, so dass bestimmt alle eine ganz persönliche Kombination von Übungen für den Ernstfall zusammenstellen können. Es reicht eine halbe Stunde, wenn nicht mehr Zeit zur Verfügung steht.

  • Tief und langsam atmen. Hole ganz tief Atem – halte die Luft kurz an, und dann lass sie langsam wieder entweichen. Versuche, so langsam auszuatmen, dass du dabei bis 10 zählen kannst. Du kannst womöglich sogar fühlen, wie Spannung und Stress dich mit jedem Atemzug verlassen, wenn du das bis zu zehn Mal wiederholst.
  • Selbstmassage: Schultern, Nacken, Kopfhaut, Kreuz massieren hilft enorm. Noch besser ist es natürlich, wenn dein Schatz in der Nähe ist und dich massieren kann.
  • In der Rehabilitation nach meiner Darmoperation habe ich die progressive Muskelentspannung kennen und schätzen gelernt. Eine hervorragende Audio-Anleitung dazu gibt es beispielsweise bei der Techniker Krankenkasse zum herunterladen: [mp3 Muskelentspannung] (Ich empfehle aus Erfahrung die Langversion mit 160 kbps.) 
  • Spaziergänge wirken fast schon Wunder. Ich lasse mir an Arbeitstagen in der Firma auch von Regen, Schnee oder Sommerhitze die 25 Minuten Mittagspause draußen, den täglichen Spaziergang, nicht rauben. Länger wäre schön, aber ich habe nur 25 Minuten Mittagspause. Eine schöne Umgebung wäre besser, aber ich arbeite nun einmal in Neukölln mitten in einem Industriegebiet. Nie und nimmer würde ich auch noch die kurze Pause in der lärmschwangeren Kantine oder im muffigen Büro verbringen wollen … Auf jeden Fall ist auch ein kurzer Spaziergang eine hervorragende Möglichkeit, Stress entweichen zu lassen und die Konzentrationsfähigkeit wieder herzustellen.
  • Wer nicht regelmäßig Sport treibt, beraubt sich selbst. Ob es nun Schwimmen ist oder ob man das Jogging (neudeutsch für Dauerlauf) bevorzugt oder ob man rudert oder mit dem Fahrrad hinaus in die Natur radelt … oder abwechselnd verschiedene Sportarten ausübt – ohne regelmäßigen Sport zwei bis drei Mal wöchentlich fehlt dem Körper und der Seele und dem Geist etwas ganz Essentielles. Und ich möchte, gerade nach anstrengenden Zeiten am Arbeitsplatz, unsere zwei Stunden im Sport- und Fitnessstudio, meist am Dienstag und Donnerstag, um keinen Preis missen. Man meint vorher, zu k.o. zu sein und hinterher fragt man sich, wie man nur auf solch eine absurde Idee hatte kommen können. Man ist nämlich an Leib, Geist und Seele rundum erneuert.
  • 2014-07-20 09.01.35Wer in städtischer Umgebung lebt oder arbeitet oder gar beides, sollte unbedingt so oft wie möglich in die Natur eintauchen. An einem Seeufer sitzen … durch einen Wald streifen … auf einer Wiese liegen … den Vogelstimmen lauschen … die Vielfalt der Blüten und Blätter bemerken und bestaunen … im Winter die fraktale Schönheit der gefrorenen Landschaft wahrnehmen – das kann nach besonders stressigen Tagen innerhalb von relativ kurzen 60 Minuten oder zwei Stunden das innere Gleichgewicht völlig wieder herstellen.
  • Es muss nicht immer der große Urlaub sein: Nimm einfach einen Tag zwischendurch frei und verplane ihn nicht mit tausend Aktivitäten. Genieße ihn einfach als freien Tag. Wirklich frei. Frei von Verpflichtungen, Terminen und Programmen.
  • Meditation – das war für meine sehr streng religiöse Mutter Teufelswerk, daher hatte ich lange Berührungsängste. Inzwischen weiß ich, dass Glaube oder Unglaube nichts mit Meditation zu tun hat und kann mit Hilfe von simplen Meditationsübungen innerhalb von rund 20 Minuten innerlich total zur Ruhe kommen. Gerade nach einem langen Bürotag ist das (im Wechsel mit den Sporttagen) ein hervorragender Auftakt, um dann einen stressfreien und angenehmen Feierabend zu genießen. Ein paar Anleitungen für Anfänger gibt es zum Beispiel hier: [Online-Meditation
  • Auch das Lesen eines guten Buches kann ein ganz hervorragendes Ventil für unseren Stressabbau sein. Ein Thriller, eine Liebesgeschichte, eine Biographie, ein klassischer Roman … die Geschmäcker sind verschieden. Und das macht nichts. Es kommt nur darauf an, dass dich das Buch regelrecht gefangen nimmt, so dass du keine Gedanken mehr an die Welt rings um dein Sofa, außerhalb des Buches, verschwendest. Für mich sind John Grisham und Stephen King genauso geeignet wie Siegfried Lenz oder Martin Walser, um nur einige Autoren zu nennen.
  • Ein guter, ein spannender, ein unterhaltsamer Film kann ähnlich wie ein Buch dafür sorgen, dass wir abschalten vom Alltag und seinen Lasten. Auch wenn es nur 90 Minuten sind – sie helfen, die Lasten wenigstens eine Weile nicht zu tragen. Und oft sehen sie hinterher gar nicht mehr so gewaltig oder wichtig aus.
  • Für mich kann auch Musik, vorzugsweise über Kopfhörer (ich rede von HiFi, nicht von quäkenden Stöpseln) genossen, Entspannungswunder wirken. Beethovens 6. Symphonie zum Beispiel, die stimmt mich unweigerlich heiter. Oder ein Album der Beatles. Oder was immer deiner Seele wohltut – leg dich auf das Sofa, schließe die Augen und tauche ein in die Klangwelt. Du wirst ein wenig neu geboren wieder auftauchen.
  • Ach ja, und eins zum Schluss, was eigentlich selbstverständlich ist, aber dennoch erwähnt werden soll: Man kann Telefone ausschalten. Computer auch. Und dann versuch es mal mit 15 oder 20 Minuten Schlaf. Einfach so. Ohne schlechtes Gewissen, weil du tagsüber schlummerst. Das ist ein Jungbrunnen, der durch und durch erfrischt.

Probier aus, was zu dir passt. Du wirst vielleicht staunen – über dich selbst.

Samstag, 26. Juli 2014

Dreißig mal Zehn

300 Bilder sind inzwischen in meiner Tumblr-Sammlung zu finden. Getreu dem Tipp 39 aus dem gestern hier veröffentlichten Beitrag probiere ich schon länger kreative Variationen der Photographie aus. Wer mal reinschauen will:

[gjm berlin – archiv]

300 Fotos

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Freitag, 25. Juli 2014

Entschleunigung und Achtsamkeit – die lange Liste

Wenn du die Berührung mit der inneren Stille verlierst, verlierst du den Kontakt mit dir selbst.
Wenn du den Kontakt mit dir selbst verlierst, verlierst du dich in der Welt.
-Eckhard Tolle

Am Ende meiner Einführung [Link] in diese Artikelserie zum Thema »Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Vereinfachung, Entschleunigung« (ja, das ist ein Thema, nicht vier) hatte ich eine Kurzliste aus nur zwei Punkten präsentiert, die zwar richtig, aber für manche Menschen noch wenig praktisch anwendbar ist:

  • Identifiziere, was dir am allerwichtigsten ist.
  • Eliminiere alles andere.

Heute geht es um sehr konkrete Dinge, von denen bestimmt einige auf deine Situation anwendbar sind, lieber Leser. Nicht alle. Bestimmt nicht.

Lichtblicke tun gutEs kann gar keine verbindliche Schritt-für-Schritt-Anleitung geben, wie man sein Leben vereinfacht. Wir sind alle Individuen, und das ist auch gut so. Aber diese unvollständige Sammlung von Ideen sollte so gut wie für jeden Menschen hilfreich sein, der ein schlichteres Leben anstrebt. Nicht alles wird für dich passen, und vieles musst du einfach ausprobieren, um das herauszufinden – manches Mal wirst du den einen Schritt zurück gehen, nachdem du zwei vorangekommen bist. Dann weißt du, dass etwas nicht für dich passt und versuchst es mit dem nächsten Punkt. Wie gesagt – es geht um eine Reise, nicht um ein Ziel.

Getreu dem Thema habe ich übrigens aus den 75 ursprünglich gesammelten Punkten 48 gemacht – also ganz konkret entschlackt und angewendet, worum es geht.

Natürlich wird mancher fragen, ob eine solche Fülle von Anregungen, denn 48 sind immer noch eine Menge, nicht zu kompliziert ist, gerade wenn es um Vereinfachung geht. Richtig. Das könnte so sein und wirken. Daher lass dich nicht von der Fülle unter Stress setzen. Probiere eine Idee aus, die dich beim Durchlesen besonders anspricht, lass die anderen beiseite. Erst dann, wenn du weißt, ob sie für dich passt oder nicht, geh zum nächsten Vorschlag. Niemand kann oder sollte alle 50 Punkte auf einmal anpacken. Manche passen einfach nicht, weil zum Beispiel ein Angestellter eben nicht frei über die Arbeiten, die er erledigt, oder darüber, wann er arbeitet, entscheiden kann, während das für einen selbständig Tätigen schon etwas einfacher ist. Wir wollen und müssen realistisch bleiben. Die wenigsten von uns können aussteigen und ein unabhängiges Leben auf einer Insel oder ein abgeschiedenes in einem Kloster führen. Wir haben Verpflichtungen, an denen sich nichts ändern wird. Aber das heißt nicht, dass wir unser Leben nicht neu ins Auge fassen und neu bewerten und neu ordnen können.

Wenn die Achtsamkeit etwas Schönes berührt, offenbart sie dessen Schönheit. Wenn sie etwas Schmerzvolles berührt, wandelt sie es um und heilt es. -Thich Nhat Hanh

Denke vor allem daran: Es geht darum, dein Leben zu entschleunigen, von Stress zu befreien, Aufmerksamkeit zu gewinnen für das ganz und gar Alltägliche, Unspektakuläre. Wer sich unter Druck setzt, diese Liste zügig abarbeiten zu wollen, tut genau das Gegenteil.

  1. Nimm dir ein paar Minuten Zeit, dir auszumalen, wie dein vereinfachtes, entschleunigtes Leben aussehen könnte. Und dann schreib dir das Ergebnis auf. Als Vorstellung, als Traum – nicht als festes Ziel, das in soundso vielen Monaten erreicht sein muss.
  2. Schreibe dir auf, welche vier bis fünf Dinge dir am wichtigsten sind. Was ist dir das Allerwichtigste? Was ist dir das Wertvollste? Welche vier oder fünf Dinge willst du unbedingt in deinem Leben tun? Schlichtheit beginnt mit diesen Prioritäten, indem du in deinem Leben Raum für sie schaffst und weniger wichtige Dinge sein lässt.
  3. Bewerte deine Verpflichtungen. Schau dir alles an, was in deinem Leben vor sich geht, von der Arbeit über Heim und Familie bis zu Hobby und Freizeitgestaltung. Was ist dir wertvoll, was tust du wirklich gerne? Und was davon passt mit den vier oder fünf Themen von Punkt eins zusammen? Welche der Verpflichtungen, die nicht mit den wichtigsten Dingen zusammen passen, kannst du eliminieren?
  4. Betrachte deine Zeiteinteilung. Wie verbringst du deinen Tag? Welche Tätigkeiten reihen sich aneinander, vom Aufstehen am Morgen bis zum Einschlafen? Notiere, was du alles tust und schau dir in Ruhe an, ob es zu deinen Prioritäten passt. Kannst du Dinge streichen, die deinen Prioritäten widersprechen? Nimm dir mehr Zeit für das, mit deinen vier oder fünf wichtigen Dingen harmoniert. Gib deinem Tagesablauf eine neue Form.
  5. Vereinfache deine Arbeit. Für die meisten Menschen bedeutet Arbeit eine lange Liste von Aufgaben. Wer versucht, alle Punkte nacheinander abzuarbeiten, kommt nie ans Ziel. Vor allem werden die wichtigen Dinge nicht erledigt. Beschäftige dich mit den wichtigsten Aufgaben und lass den Rest beiseite, bis eventuell auch dafür Raum bleibt.
  6. Vereinfache Haushaltstätigkeiten. Dabei kannst du auch gleich einen kritischen Blick auf all die Dinge werfen, die du angehäuft hast. Manchmal ist die Liste dessen, was zu Hause zu tun ist, so lang wie die am Arbeitsplatz. Und fertig werden wir sowieso nie. Also finde heraus, was wirklich wichtig ist und schaffe andere Tätigkeiten beiseite. Das kann durch Automatisierung (Spülmaschine, Saugroboter) geschehen, oder durch Eliminierung (muss ich wirklich 47 Vasen aufheben, von denen ich höchstens zwei oder drei benutze?), Delegation (in einer Familie oder Partnerschaft möglich) oder Einkauf von Dienstleistung (von der Putzhilfe bis zum Lieferservice ein weites Feld der Möglichkeiten).
  7. Lerne es, nein zu sagen. Das ist eine der Schlüsselentscheidungen für Menschen, die ihr Leben vereinfachen wollen. Wenn du nicht nein sagen kannst, wirst du dir immer zu viel aufhalsen.
  8. Begrenze die Kommunikationsflut. Unser Leben wird überschwemmt mit E-Mails, Sofortnachrichten, Anrufen, Kurznachrichten, Briefen, Skype, Twitter, Internetforen, Facebookeinträgen und vielem mehr. Wer es zulässt, kann sich den ganzen Tag damit beschäftigen lassen. Diesem Diktat kannst du aber einen Riegel vorschieben: Begrenze die Zeit, die du dafür aufwendest und bleibe dabei. Zum Beispiel zwei mal täglich 30 Minuten. Probier einfach aus, wann und wo es am besten für dich passt, aber setze feste Zeitgrenzen. Man kann übrigens Mobiltelefone genauso ausschalten wie Computer.
  9. Das gleiche gilt für Fernsehen, Radio, Internet, Zeitschriften, Bücher … setze dir bestimmte Zeitgrenzen, was den Konsum von Medien betrifft. Medien können zur Erholung, zur Entspannung beitragen, aber genauso können sie zu Schädlingen werden. Überprüfe dein Verhalten kritisch: Beherrschst du die Medien oder haben sie dich im Griff? Wie viel Raum nimmt der Medienkonsum in deinem Leben ein? Ist das noch gesund oder nicht? Kannst du Stille aushalten und genießen, oder muss irgendetwas ständig dudeln?
  10. Befrei dich von Ballast, entsorge Gerümpel. Plane zum Beispiel ein Wochenende ein, an dem du Schränke, Keller oder anderen Stauraum durchforstest. Halte Tüten und Schachteln bereit, fülle sie mit den Dingen, die sich angesammelt haben und die du nicht wirklich benötigst und bringe sie zum Roten Kreuz, zur Kleiderkammer oder gegebenenfalls zum Müllplatz.
  11. Schau dich zu Hause aufmerksam um, von Zimmer zu Zimmer, die Küche, das Badezimmer, den Flur … was steht oder liegt herum, ohne dekorativ oder nützlich zu sein? Versuche herauszufinden, was Atmosphäre schafft oder einem Zweck dient und was überflüssig oder gar im Wege ist. Und dann entsorge das, was zu entsorgen ist.
  12. Danach kannst du dir Schublade für Schublade vornehmen und nachschauen, was sich dort so angesammelt hat. Brauchst du das alte Plastiklineal mit dem Sprung wirklich noch? Willst du die zerfledderten Notizbücher, in die du seit vier Jahren keinen Blick geworfen hast, wirklich behalten?
  13. Ähnlich kannst du deinen Kleiderschrank unter die Lupe nehmen. Das Hemd, das du seit 15 Jahren nicht getragen hast … wird das wirklich eines Tages wieder modern sein und dir dann auch noch passen? Das Abendkleid … es war zwar nicht billig, aber es hängt jetzt seit 15 Jahren im Schrank, ohne dass du es getragen hast. Die Schuhe, die du nur einmal angezogen hast und dann nie wieder, weil sie zu unbequem waren – müssen die weiterhin Platz einnehmen? Und was ist mit der ausgeleierten und verwaschenen Unterwäsche, den einzelnen Socken …
  14. Sogar im Computer kann man aufräumen. Zu viele Dateien, eine chaotisches Ablage … schaffe dir Ordnung (mit Dateiordnern) und lösche, was nie wieder eine Rolle spielen wird oder doppelt und dreifach vorhanden ist (ich spreche hier nicht von Sicherheitskopien wichtiger Daten).
  15. Beschränke dich beim Einkaufen. Selbst wenn du zum Sklaven des Materialismus und der Konsumsucht geworden bist, kannst du deine Freiheit wiedergewinnen. Es mag eine Weile dauern, solche Gewohnheiten abzulegen, aber wer sich immer wieder, bei jedem Einkauf kritisch fragt, ob er das wirklich braucht, was da so verlockend ist, der kann schließlich über die Sucht siegen.
  16. Sorge für Freizeit. Betrachte Freizeit nicht als etwas, was zufällig übrig bleibt, sondern plane sie ein, lege sie fest. Wenn du Unwichtiges sein lässt, Wichtiges rationalisierst und auch nur einige der bisherigen Tipps praktizierst, dann gewinnst du zwangsläufig Zeit für die Dinge, die dir Spaß machen und gut tun. Schau dir deine Liste mit den vier oder fünf wirklich wichtigen Punkten in deinem Leben an und beschäftige dich in der eingeplanten Freizeit nur mit ihnen.
  17. Verbringe mehr Zeit mit den Menschen, die du liebst. Auf deiner Liste mit dem, was dir wichtig ist, stehen bestimmt Namen von Menschen. Falls nicht, dann denke doch noch einmal über deine Liste nach. Ob Ehepartner, Kinder, andere Verwandte oder Freunde – mit ihnen verbrachte Zeit wird dir gut tun. Da muss nicht immer eine große Unternehmung stattfinden – rede mit diesen oder diesem Menschen, genieße einen Spaziergang zusammen, höre zu …
  18. Verbringe Zeit alleine. Du brauchst auch solche Oasen, in denen nichts und niemand da ist. Manche Menschen haben anfangs Probleme mit bewusst gesuchter Einsamkeit, aber mit etwas Übung gewinnst du eine Menge inneren Frieden, wenn du auf deine innere Stimme hören lernst. Das klingt für manche etwas nach New-Age oder religiös, aber das ist es nicht. Stille Meditation bringt dich zur Ruhe. Und in der Ruhe findest du heraus, was wichtig für dich ist.
  19. Iss langsamer. Wer seine Mahlzeiten so schnell wie möglich hinter sich bringen will, dem entgeht nicht nur der wunderbare Geschmack (vorausgesetzt das Essen hat Qualität), sondern das Herunterschlingen ist auch noch gesundheitsschädlich. Wer langsam isst, verliert ganz nebenbei überflüssige Pfunde, sorgt für bessere Verdauung und gewinnt viel Lebensqualität.
  20. Wie verhältst du dich im Straßenverkehr? Die meisten Menschen neigen dazu, so schnell wie möglich dem Zeil entgegen zu hetzen, was zu Frust und Ärger führt – und oft genug sogar zur Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder der eigenen Person. Gelassenheit am Steuer bringt Sicherheit und verhindert jede Menge Stress. Probier es aus, du wirst staunen.
  21. Lebe bewusst. Diese beiden Worte können eine gewaltige Veränderung in deinem Leben auslösen. Lebe hier und jetzt, mach dir klar, dass du lebst, achte darauf, was du empfindest, was um dich herum vorgeht, was in deinem Inneren passiert. Das wirkt Wunder in deinem Befinden.
  22. Schaffe Ordnung in deinem Lebenssystem. Viele Menschen haben ein völliges Chaos in ihren Tätigkeiten, weil sie nie darüber nachgedacht haben, was sie überhaupt tun und wie und wann das geschieht. Betrachte die Bereiche als verschiedene Systeme: das System Wäsche (waschen, trocknen, bügeln, aufräumen), das System Essen (planen, einkaufen, bevorraten, kochen, anrichten, genießen), das System Kommunikation (telefonieren, Briefe schreiben, E-Mails abrufen und beantworten) … und überlege dir, wie du diese Bereiche in sich und als Bestandteile des Lebens vereinfachen und effizienter machen kannst. Und dann halte dich daran.
  23. Ein systematisches Ablagesystem deiner Papiere kann dir eine Menge Zeit freischaufeln, die du ansonsten mit der Suche nach bestimmten Unterlagen verbringen müsstest. Das beste System nützt allerdings nichts, wenn es nicht verwendet wird – daher gewöhne dir an, jeden gelesenen Brief möglichst sofort zu beantworten und am richtigen Ort abzulegen oder zu entsorgen.
  24. Genauso systematisch kann man Dinge im Haushalt ordnen – von Lebensmitteln über Utensilien zum Putzen bis zu Kleidungsstücken. Wenn Bürste, Lappen, Eimer und Reinigungsmittel griffbereit am gleichen Ort stehen, erleichtert das genauso den Tagesablauf wie ein fester Platz für bestimmte Vorräte in der Küche. Man sieht auch gleich, was zur Neige geht und kann es für den nächsten Einkauf vormerken (auf einer Kreidetafel in der Küche zum Beispiel).
  25. Räume auch deinen Schreibtisch auf. Ein vollgepackter Schreibtisch lenkt ab und verhindert zielstrebiges Arbeiten, darüber hinaus entsteht mentaler Stress durch das Durcheinander. Man muss nur ein paar Gewohnheiten ändern, um auf dem Schreibtisch dauerhaft Ordnung und Übersicht zu gewinnen.
  26. Wenn du zu den Menschen gehörst, deren E-Mail-Posteingang von neuen und bereits gelesenen Nachrichten überquillt, dann ist das ganz normal, denn der Mehrheit geht es so. Du kannst dein Leben aber deutlich vereinfachen, wenn du ein paar Ordner anlegst, in die gelesene E-Mails wandern, soweit sie wirklich noch einmal gebraucht werden. Alles andere wird sofort gelöscht.
  27. Lerne es, genügsam zu leben. Das heißt weniger kaufen, weniger wollen und gleichzeitig, sozusagen nebenbei, die Umwelt weniger schädigen. Genügsamkeit ist mit Entschleunigung und Vereinfachung untrennbar verbunden.
  28. Auch zu Hause kann Genügsamkeit in Form von Minimierung extrem zu einer friedlichen und nebenbei leichter sauber zu haltenden Wohnung beitragen. In einem minimalistischen Haus gibt es alles, was notwendig ist, aber nicht viel darüber hinaus. Du solltest dabei natürlich nicht alles Dekorative entfernen, im Gegenteil, aber zu viel Schnickschnack schafft nicht mehr Atmosphäre, sondern es wirkt überladen und stiftet eher eine unruhige Atmosphäre.
  29. Minimalismus kann in vielen Lebensbereichen ein Vorteil sein. Zum Beispiel: Keine Uhr am Arm – musst du wirklich dauernd die Zeit im Auge haben? Beim Spaziergang? Beim Einkauf? Wirklich? Oder: Weniger Schlüssel. Musst du wirklich ständig alle Schlösser öffnen können? Büro, Keller, Auto, Fahrrad, Briefkasten, Schließfach, Koffer … oder reicht im Alltag ein schlankerer Schlüsselbund? Das sind nur zwei Beispiele von vielen möglichen Bereichen. Denke ein wenig darüber nach, du kommst bestimmt auf ganz persönliche Ideen.
  30. Für manche Menschen kann es hilfreich sein, in eine kleinere Wohnung zu ziehen, wenn sie wirklich nicht so viel Platz brauchen, wie zur Zeit vorhanden ist. Das kann Kosten sparen, kann leichter sauber und ordentlich zu halten sein … und dein Leben deutlich vereinfachen.
  31. Das gleiche gilt für Dinge wie dein Auto- es muss keine Miniaturkarosse sein, aber braucht ein Ehepaar, dessen Kinder aus dem Haus sind, noch einen 7sitzigen Van? Und ist nicht manches Ziel mit dem Fahrrad stressfreier zu erreichen als mit dem Auto, abgesehen vom Gesundheitseffekt des Radfahrens?
  32. Wie viel oder wie wenig ist »genug«? Unsere materialistische Gesellschaft redet uns ein, das ein endloses »Mehr! Mehr! Mehr!« normal, gut und erstrebenswert ist. Also kaufen wir das neueste technische Gerät (Tablet, Mobiltelefon …), holen uns Saison für Saison Kleider nach der neuesten Mode, brauchen noch dieses oder jenes Paar Schuhe … mehr und mehr sammelt sich an. Und wann haben wir endlich genug? Die meisten Menschen wissen nicht, wie viel oder wenig »genug« ist, und darum kaufen und kaufen sie immer weiter. Das ist eine endlose Spirale – da kannst du nur ausbrechen, wenn du herausfindest, wie viel für dich genug ist. Und wenn der Punkt erreicht ist, hör auf, weiter zu konsumieren.
  33. Plane Mahlzeiten im Voraus. Wenn du jeden Tag anfängst zu grübeln, was du wohl kochen beziehungsweise essen könntest, dann kann das recht frustrierend und zeitaufwändig sein. Statt dessen im Voraus planen, anhand der saisonal erhältlichen frischen Lebensmittel und dann gezielt mit einer dem Plan angepassten Liste einkaufen gehen ist viel einfacher und erspart eine Menge Stress. Du hast dann alles zu Hause, was gebraucht wird, wenn die Mahlzeit naht.
  34. Iss gesunde Lebensmittel. Das mag auf den ersten Blick mit Vereinfachung des Lebens, mit Entschleunigung und Achtsamkeit nichts zu tun haben, aber wirf mal einen Blick auf das Gegenteil: Fettes, überzuckertes, mit Schadstoffen belastetes und nicht der menschlichen Biologie (Verdauungssystem) angepasstes Essen wird auf Dauer eine Menge Aufwand nötig machen, um die Schäden an deinem Körper zu reparieren, soweit das dann überhaupt noch gelingt. Medikamente … Therapien … Operationen … Insulin … und so weiter. Es ist kompliziert, mit ungesunder ernährung zu leben. Gesundes Essen statt dessen vereinfacht das Leben auf umfassende Weise, weil der Körper es schlicht und einfach gut verträgt.
  35. Sport und Bewegung – da wirkt das gleiche Prinzip wie beim Essen. Jede Menge Schäden am Körper, vom Herz bis zu Gelenken und Fettgehalt, lassen sich durch sportliche Betätigung von vorne herein vermeiden. Darüber hinaus wird beim Sport Alltagsstress abgebaut und es werden Glückshormone frei, Sport ist also nicht nur gesund, er sorgt auch noch für gutes und frohes Wohlbefinden.
  36. Entrümpelung geht immer vor, Organisation kommt danach. Manche Menschen versuchen, einen vollen Schreibtisch, einen überfüllte Schrank oder eine Schublade durch ein Ordnungssystem in den Griff zu bekommen, ohne vorher Dinge auszusortieren, die überflüssig geworden sind. Gewöhne dir an, zuerst auszusondern, bevor du den Rest organisierst. Wenn du genug aussortierst, könnte sich das Organisieren sogar erübrigen. »Jedes Ding an seinen Platz« - ein uraltes Sprichwort, und ein wahres. Wer alles Überflüssige entsorgt, hat es mit dem Rest dann ganz leicht.
  37. Finde Wege zum inneren Frieden. Auch das mag sich zuerst religiös anhören, aber es hat mit Glauben oder Unglauben gar nichts zu tun. Komm zur Ruhe. Ob das für dich nun in Form von Gebet oder Meditation oder beim Malen oder Handarbeiten geschieht, ändert nichts am Effekt. Für viele Menschen ist es am einfachsten, wenn sie draußen in der Natur sind. Halte einfach inne, horche in dich hinein – ohne irgendwelche Ziele oder Ansprüche damit zu verfolgen.
  38. Lerne es, Stress gezielt abzubauen. Es wird niemandem (außer vielleicht dem Aussteiger auf der einsamen Insel) glücken, Stress völlig auszuschließen. So sehr es dir auch gelingt, dein Leben zu vereinfachen und zu entschleunigen, es wird stressige Situationen geben. Mach dir das bewusst und gehe das Problem aktiv an. Zum Beispiel mit tiefen Atemübungen, einem Spaziergang in ruhiger Umgebung, Sport, Lesen … demnächst in einem anderen Artikel mehr dazu.
  39. Fotografieren - auch eine kreative MöglichkeitFinde eine kreative Weise, dich auszudrücken. Ob es das Schreiben ist, oder Malerei, Musik, Fotografie, Filmen, Tanzen, Handarbeit, Basteln oder sonst etwas, hängt von deiner Persönlichkeit und deinen Begabungen ab. Wir brauchen alle eine solche Möglichkeit des kreativen Schaffens. Wer sich nicht auf solche Weise ausdrückt und verwirklicht, beraubt sich selbst eines wichtigen Ventils. Schaffe dir bewusst Zeiträume, die nur für deine Kreativität reserviert sind. Ohne Erfolgszwang, übrigens. Du musst nicht das Foto des Jahrzehnts schießen, einen Weltbestseller schreiben oder der neue Picasso werden. Du tust das, was du kreativ tust, in erster Linie nur für dich. Falls es auch noch anderen gefällt, ist das okay.
  40. Vereinfache deine Ziele. Anstatt ein halbes Dutzend Ziele zu verfolgen, nimm dir jeweils ein einziges vor. Das baut nicht nur Stress ab, sondern es macht dich erfolgreicher. Du richtest dich auf ein Ziel aus und steckst deine gesamte Energie hinein – schon wirst du viel leichter dort ankommen, wo du hin willst. Und dann kommt das nächste Ziel dran. Das gilt übrigens, wie ganz am Anfang gesagt, auch für diese Liste von Tipps.
  41. Lass den Versuch sein, multitaskingfähig zu werden. Das geht sowieso nicht (sagen Gehirnforscher), also erledige eine Sache nach der anderen. Erst wenn A abgeschlossen ist, beginnst du B.
  42. Entwickle Gleichmut, Gelassenheit. Wenn dich alles, was dir geschieht und jeder, der dir begegnet in Aufregung und Stress versetzt, wird dein Leben nie vereinfacht sein. Lerne es, alles mit mehr Abstand zu betrachten, eigne dir Gelassenheit an. Das kann man üben. Ich habe etwa zwei Jahre gebraucht, um hinter dem Lenkrad (immerhin meistens, wenn auch noch nicht immer) gelassen zu bleiben.
  43. Geh der Werbung aus dem Weg. Sie versucht an allen Ecken und Enden, uns zu überfallen und Bedürfnisse zu wecken beziehungsweise künstlich zu schaffen. Und das funktioniert, sonst wären die Gewinne der Werbebranche längst nicht so groß. Du kannst nur eins tun: Werbung vermeiden, wo immer es geht, sei es in Zeitschriften, Fernsehen, Rundfunk, auf Webseiten oder sonst irgendwo. Du wirst weniger kaufen und anhäufen wollen.
  44. Lebe bewusster. Was immer du gerade tust, nimm dir dabei Zeit und achte mit Gelassenheit auf die jeweilige Tätigkeit, und sei sie noch so alltäglich.
  45. Lege dir jeden Morgen eine Liste der wichtigsten Dinge für den Tag an. Höchstens drei Punkte sollten darauf stehen, die du heute unbedingt erledigen willst. Mehr wäre schon zu viel – wenn du weitere Dinge erledigst, ist das okay, aber packe dir den Tag nicht zu voll, denn das führt zur Frustration.
  46. Lerne es, nichts zu tun. Das ist für manche Menschen so gut wie unmöglich, aber es lohnt sich unbedingt, diese Kunst wieder zu entdecken. Als Kinder konnten wir das alle, so aktiv wie auch waren: Zwischendurch abschalten und gar nichts tun. Für das innere Wohlbefinden ist das Nichtstun essentiell.
  47. Qualität geht vor Quantität. Lieber ein Stück Fleisch, das nicht mit Antibiotika, Konservierungsstoffen und Geschmacksverstärkern verseucht ist, pro Woche, als jeden Tag Fleisch aus dem Billigsupermarkt. Lieber ein Hemd von guter Qualität als fünf T-Shirts, die nach in paar Wäschen aussehen wie Putzlappen. Lieber eine gute HiFi-Anlage als ein Billigradio in jedem Zimmer.
  48. Frage dich bei jedem Kauf, bei jeder Tätigkeit: Wird das mein Leben vereinfachen, trägt das zum Wohlbefinden und zur Entschleunigung bei? Wenn nein, dann lass es sein.

Einige dieser Punkte verdienen es, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten genauer hin sehen. Diese Liste sollte vornehmlich einen Einblick und Überblick gestatten, wie viele Möglichkeiten es gibt, ganz konkret und praktisch das Leben einfacher zu gestalten, die Hektik aus dem Tagesablauf zu verbannen und rundum gesünder und zufriedener zu leben.

Noch einmal der Hinweis: Probiere eins nach dem anderen aus. Was zu dir und deiner Situation passt, übernimm. Dann schau dir den nächsten Punkt an. Und so weiter.

Im nächsten Beitrag zum Thema geht es dann um … na ja, mal sehen. Ich habe da so zwei oder drei Ideen im Kopf, aber ich werde mich auf eine konzentrieren.

Fotos von Free Stock Fotos.

Dienstag, 22. Juli 2014

Aber irgendwas machst du doch!–Nein.

Berta: Herrmann?
Hermann: Ja?
Berta: Was machst du da?
Hermann: Nichts!
Berta: Nichts? Wieso nichts?
Hermann: Ich mache nichts!
Berta: Gar nichts?
Hermann: Nein.
Berta: Überhaupt nichts?
Hermann: Nein, ich sitze hier!
Berta: Du sitzt da?
Hermann: Ja.
Berta: Aber irgendwas machst du doch!
Hermann: Nein.
-Loriot (Szenen einer Ehe)

Die meisten Menschen dürften bereits einem immer häufiger auftretenden Trend begegnet sein, der meist mit englischen Vokabeln benannt wird: mindfulness, awareness, simplicity … also Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Vereinfachung, Entschleunigung. Bei der Begrifflichkeit in unserer Sprache bleibe ich auch in dieser Serie von Artikeln über ein paar Grundlagen zum Thema.

crackEs hat sich herumgesprochen, dass unser Lebensmotto »Zeit ist Geld« krank machen kann und dass puritanische Lehren wie »Müßiggang ist aller Laster Anfang« in die völlig falsche Richtung weisen. Dass es zur Falle werden kann, immer mehr in den 24 Stunden, die ein Tag uns schenkt, unterbringen zu wollen. Dass sogar ein Urlaub zur Anstrengung und alles andere als erholsam wird, wenn wir ständig ein selbst auferlegtes Pflichtprogramm aus möglichst weiten Reisen mit möglichst vielen abgehakten Sehenswürdigkeiten absolvieren. Spätestens dann, wenn eine ernsthafte Erkrankung zum Innehalten zwingt, kommt mancher Zeitgenosse auf den Gedanken, den Lebensstil zu überprüfen.

Dabei täte es uns gut, achtsamer und bewusster zu leben, bevor wir krank werden. Das hat sich herumgesprochen, daher die Schwemme von Artikeln, Büchern, Seminaren – sogar die chronisch knauserigen Krankenkassen bezahlen inzwischen Achtsamkeitskurse und Meditationen. Nicht, weil das gerade als modern gilt, sondern weil es preiswerter ist, die Menschen zum Innehalten, zur Schlichtheit zu bewegen, als Herz-, Kreislauf und Krebserkrankungen zu behandeln.

Bereits kurz nach meiner ersten Krebsoperation, in der Rehabilitation, fing auch bei mir endlich das Umdenken bezüglich der Lebenseinstellung und -gestaltung an, als ich unter anderem die progressive Muskelentspannung und Qui Gong kennen lernte. Ich habe seither viel gelesen und ausprobiert, manches war für mich brauchbar, manches nicht. Eine schier unerschöpfliche Quelle ist der Blogger Leo Babauta, er schreibt seit 2007 zum Thema. Seine Texte hat er mit einem »uncopyright« versehen, sie in den Besitz der Menschheit überschrieben. Vieles von dem, was ich in dieser Serie weitergeben werde, sind Übersetzungen seiner Gedanken aus dem Englischen. Etliche Gedanken habe ich aus Büchern übernommen, andere aus Zeitschriften wie »Flow«. Und kürzlich dachte ich: Warum nicht mit den Blogbesuchern auch diese Gedanken, Erlebnisse und Ergebnisse teilen? Eben. Warum nicht.

Entschleunigung - Substantiv, feminin - gezielte Verlangsamung einer [sich bisher ständig beschleunigenden] Entwicklung, einer Tätigkeit o. Ä.
-der Duden

Zunächst geht es darum, wie wir überhaupt anfangen können mit dem gesunden Vereinfachen des Lebens, dem Abbremsen, dem Ausbrechen aus dem Hamsterrad. Wie entdeckt man den Weg zur Schlichtheit? Wo hat die Tretmühle überhaupt einen Ausgang? Was heißt es ganz konkret, Achtsamkeit zu praktizieren und einzuüben?

Schlichtes Leben bedeutet für jeden Menschen etwas Individuelles. Da muss jeder herausfinden, was für ihn richtig ist, anstatt ungeprüft etwas vom Mitmenschen zu kopieren, was diesem sehr gut tut. Es gibt nämlich kein Patentrezept. Es geht darum, das Wesentliche für sich selbst zu entdecken und alles andere daran zu messen und zu bewerten. Chaos gegen Frieden einzutauschen. Mehr Zeit damit zu verbringen, was einem gut tut. Den Wirrwarr des Alltags entsorgen, das versetzt uns in die Lage, plötzlich Zeit für das zu finden, was wirklich wertvoll ist.

So etwas gelingt nicht von heute auf morgen. Es geht um eine Reise, nicht um ein Ziel. Oft genug wird es so aussehen, dass wir zwei Schritte voran gehen und einen zurück. Aber das macht überhaupt nichts. Wichtig ist, unterwegs zu sein, statt den Status Quo hinzunehmen, sich dem Diktat des hektischen Lebens unserer Gesellschaft zu fügen.

Im geplanten nächsten Beitrag zum Thema möchte ich 75 konkrete Vorschläge auflisten. Das wird einiges an Lesestoff bedeuten und mancher wird sich sagen, dass die Zeit zur aufmerksamen Lektüre nicht reicht. Und genau das ist der Punkt: Nehmen wir uns die Zeit für etwas, was uns helfen könnte, was wichtig sein könnte, oder liegen die Prioritäten fest gemauert auf anderen Dingen?

Denjenigen, denen die angekündigten 75 Punkte zu lang und zu viel erscheinen, schenke ich hier zum Schluss dieses Beitrages die Kurzform, die nur aus zwei Punkten besteht:

  1. Identifiziere, was dir am allerwichtigsten ist.
  2. Eliminiere alles andere.

Das ist nun wirklich kurz, und daher vielleicht doch nicht allzu hilfreich, wenn jemand nicht so recht weiß, wie er das auf die vielen Aspekte des eigenen Lebens anwenden kann. Daher folgt demnächst die ausführlichere Form.

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Freitag, 11. Juli 2014

Wieder aufatmen dürfen

Kurz und knapp für all die lieben Leser, die an meinem und unserem ergehen Anteil nehmen: Wir dürfen wieder einmal aufatmen.

Aufatmen nach der UntersuchungDie heutige Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten bei den inneren Organen einschließlich Lymphsystem und weiter gebesserte Blutwerte, die alle bis auf das Gamma-GT erstmals seit Oktober 2013 wieder im Normalbereich liegen, der Gamma-GT ist immerhin auch deutlich gesunken.

Die Lunge soll, um sicher zu gehen, in den nächsten Tagen noch einmal per Röntgenuntersuchung kontrolliert werden, bekanntlich ist sie bei Darmkrebs nach der Leber die häufigste Sprungstation für Krebszellen. Es deutet zwar nichts darauf hin, dass irgendwo im Körper ein Tumor wächst, aber mein Arzt und ich gehen da lieber auf Nummer Sicher.

Im Oktober ist dann neben der Sonographie wiederum eine Darmspiegelung vorgesehen, aber bis dahin haben wir jetzt, von der Lungenuntersuchung abgesehen, wieder drei Monate vor uns, in denen der Gedanke an Tumore weiter nach hinten rückt.

Gott sei Dank und allen Freunden, Bekannten und Verwandten ebenso für alle lieben Grüße, Gebete, Gedanken, Wünsche und das Anteilnehmen.

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Mittwoch, 9. Juli 2014

Mal schnell, mal langsam: die Zeit

Es ist schon eine sehr subjektive Empfindung, wie schnell oder langsam die Zeit vergeht. Natürlich vergeht sie jederzeit in der gleichen Geschwindigkeit, nämlich pro Tag 24 Stunden, also 1.440 Minuten oder, wenn man es ganz genau nehmen will, 86.400 Sekunden pro Kalendertag. Daran wird sich nichts ändern. Ob uns diese Sekunden, Minuten und Stunden jedoch kurz oder lang vorkommen, ist vollkommen von unserer Befindlichkeit abhängig. Und das Empfinden ist keineswegs statisch.

Mal scheint es mir »schon wieder« drei Monate her zu sein, dass wir beim Arzt die erlösenden Worte hörten: Alles in Ordnung. Mal fühlt es sich an wie »damals, vor drei Monaten« - lange her. Der Blick nach vorne auf dem Zeitstrahl wird ähnlich variabel empfunden: Am Freitag werde ich wieder untersucht, das kann je nach Augenblick noch sehr weit weg oder schon ganz nah sein. Wenn dieser Beitrag auf dem Blog erscheint, habe ich noch rund 49 Stunden vor mir, bis ich mich auf der Untersuchungsliege ausstrecke. Das sind mal 49 lange, mal 49 kurze Stunden.

http://www.rgbstock.com/photo/mq2xH1k/SundialEs gelingt mitunter in den Zeiten zwischen den Untersuchungen, hoffnungsvoll und zuversichtlich zu sein, und mitunter überwiegt die Angst vor möglichen schlechten Erkenntnissen. Je weiter der nächste Termin entfernt ist, desto sorgloser fühle ich mich, je näher er rückt, desto öfter versuchen die negativen Gedanken, die Oberhand zu gewinnen.

Was tun? Mir fällt nur ein, was wir sowieso tun: Ganz bewusst und ganz normal leben, soweit das möglich ist. Jeden Tag bewusst leben und erleben, jede Stunde wahrnehmen als lebendig sein, ob die Stunde nun mit Arbeit ausgefüllt ist oder der Entspannung dient. Und wo immer es gelingt, jeglichen Ärger und Stress vermeiden.

Und ich will dankbar bleiben für das geschenkte Weiterleben seit dem Frühjahr 2012. Für die Liebe der besten aller Ehefrauen, die mir Kraft und Lebensmut gibt. Und für die vielen Verwandten und Freunde und sogar fremde Menschen, die Anteil nehmen, Mut machen, Gebete sprechen und uns auf vielerlei Weise auch aus der Ferne zur Seite stehen.

Dann fällt es relativ leicht, hoffnungsvoll auf den Freitag Vormittag und in die weitere Zukunft zu blicken.

Foto: [Free Stock Photos]

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Samstag, 5. Juli 2014

Der Käfer

Als Lea eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand sie sich nicht in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt, obwohl sie in den ersten Augenblicken nach dem Weckerklingeln davon überzeugt war, zu einem Käfer geworden zu sein. Warum ausgerechnet Franz Kafkas sonderbare Fantasie ihren lebhaften Traum durchdrungen hatte, vermochte sie nicht zu sagen, die Lektüre seiner Erzählungen lag Jahre zurück. Jedenfalls war der Traum so eindrücklich gewesen, dass sie beim Aufwachen fest damit rechnete, es würden Insektenbeine, und zwar sechs Stück, unter der Bettdecke hervorkommen, als sie diese beiseiteschob.

»Hallo Arme, hallo Beine«, murmelte sie erfreut. Bauch und Brüste hatten ebenfalls nichts Käferiges an sich. Das Schicksal des Gregor Samsa war ihr ganz offensichtlich erspart geblieben.

Lea stand auf und ging in die Küche, drückte auf dem Display ihrer Kaffeemaschine auf Latte und trat dann auf den Balkon. Sie liebte diese drei bis vier Minuten am Morgen, in denen sie mit ihrer nackten Haut die Welt und das Leben erspürte, während sie eine erste Zigarette rauchte. Sommer, Winter, Frühling, Herbst, Regen, Sonne, Nebel, Schnee – nichts konnte sie von ihrem Kurzbesuch auf dem Balkon vor der Dusche abhalten, höchstens einmal eine ernsthafte Erkrankung.

Foto: WikiCommonsEin Käfer saß auf dem Geländer, ein großer grünlich schimmernder Käfer. Gewöhnlich ekelte sich Lea vor allem, was sechs- oder achtbeinig die Welt bevölkerte. Mücken, Wespen und Fliegen wurden von ihr ohne Federlesen ihres Daseins beraubt, Spinnen durften weiter ihre Netze weben, solange sie dies nicht in der Wohnung taten, Käfer wurden in der Regel in weitem Bogen weggeschnipst. Doch an diesem Morgen stupste Lea den ungebetenen Balkongast nur ganz vorsichtig mit der Spitze ihres Fingers an, statt ihn die zwei Stockwerke in die Tiefe zu stürzen. Er krabbelte träge einen Zentimeter zur Seite und blieb dann wieder still sitzen. Das Grün seines Rückens schimmerte jetzt in der Morgensonne bräunlich.

»Ich habe geträumt«, sagte Lea, »ich sei du. Oder du ich.«

»Wir sind, was wir sind und tun, was wir tun«, antwortete das Insekt. Die Stimme war fein und leise, aber deutlich zu verstehen.

Lea zuckte mit den Schultern und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. Vielleicht träume ich ja noch. Ein redefreudiger Käfer! Ach du liebe Güte!

Sie belehrte das Tier: »Käfer sprechen nicht.«

»Wenn es sein muss, kann sogar ein Esel reden.«

»Was für ein Esel? Meinst du etwa mich?«

»Natürlich nicht. Du wärest ja eine Eselin, wenn überhaupt. Ich dachte an Bileam und sein störrisches Lasttier.«

Lea konnte sich nur ganz dunkel erinnern, die Geschichte vor langer Zeit gehört oder gelesen zu haben. Sie grübelte. War das irgendein orientalisches Märchen? Warum hat das Tier angefangen zu reden? Mit wem? Egal – ich muss jetzt zur Arbeit.

»Einen schönen Tag noch«, wünschte sie dem gebildeten Krabbeltier.

»Danke, Lea. Lass dir heute etwas mehr Zeit als sonst.«

Sie ging kopfschüttelnd in die Küche zurück, trank den ersten Kaffee, drückte auf Latte für den zweiten und verschwand im Bad, um zu duschen.

Bevor Lea die Wohnung verließ, um zur Arbeit zu fahren, schaute sie noch einmal auf den Balkon. Der Käfer war verschwunden. Inzwischen wärmte die Frühjahrssonne recht kräftig, das Tier hatte wohl die nächtliche Kältestarre hinter sich gelassen und sein Tagewerk begonnen, was immer das auch sein mochte. Blätter knabbern? Höhlen graben? Philosophische Reden halten?

Das Auto war noch kühl von der Nacht, Lea öffnete das Fenster einen Spalt, um Wärme hereinzulassen. Sie drehte den Zündschlüssel, der Motor sprang an. Blick in den Spiegel, alles frei. Losfahren, eintauchen in den Berufsverkehr. Ein Tag, ein Morgen wie jeder andere, von Wochenenden einmal abgesehen.

Lea fiel der Traum wieder ein, als sie schon gut zehn Minuten unterwegs war. Wenn ich jetzt ein sechsbeiniges Insekt wäre, mit Flügeln ausgestattet, dann könnte ich natürlich den Stau überfliegen. Die Parkplatzsuche würde auch entfallen. Meine Kollegen würden sich vermutlich etwas gruseln, aber schließlich doch daran gewöhnen … vorausgesetzt, ich könnte als Käferin meiner Arbeit weiter nachgehen.

Sie überlegte, warum der Käfer ihr geraten hatte, sich mehr Zeit als sonst zu lassen, kam aber auf keine Antwort. Da Tiere, Insekten insbesondere, sowieso nicht reden konnten, war die Frage auch müßig. Nicht einmal Loriots sprechender Hund hatte das mit dem Atomstrom richtig artikulieren können. Unterhaltsam fand sie das morgendliche Balkongespräch allemal, aber natürlich hatte es nichts mit dem wirklichen Leben zu tun.

Immerhin war er ganz nett, der braungrüne Gesell. Ob er wohl einen Namen hat? Gregor vielleicht? Wäre ich als Insekt aufgewacht, hätte er vielleicht mein Lebensgefährte werden können

Inzwischen war sie auf der Stadtautobahn, 80 Stundenkilometer waren erlaubt, aber zahlreiche Fahrzeuge überholten Lea mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten. Sie überließ es wie gewohnt der Tempoautomatik, sie vor Strafzetteln zu bewahren; darüber hinaus hatte ja das Balkoninsekt von Eile am heutigen Tag abgeraten. Gregor rät zu Gelassenheit, schmunzelte sie.

Nach 30 Minuten Fahrt näherte sich Lea ihrem Ziel. Noch drei Ampelkreuzungen, dann hoffentlich ein freier Parkplatz in der Nähe der Firma.

Die Stimme, fein und leise, erklang dicht neben ihrem Ohr: »Es ist zwar grün, aber wir halten lieber an.«

Lea dachte nicht nach, sondern trat auf die Bremse. Sie drehte den Kopf. Auf der Lehne des Beifahrersitzes saß der Käfer.

»Was zum Teu…«

»Es ist besser so«, erklärte das Insekt.

Lea blickte wieder nach vorn. Ein 30-Tonner raste quer über die Kreuzung.

Der Käfer hatte keine Zeit, auf Leas Dank zu warten. Er war schon unterwegs zu seiner nächsten Aufgabe. Der betreffende Mensch las gerade ziemlich vertieft das Buch Neuland, eine Sammlung von Erzählungen.

Hoffentlich ist meine Stimme laut genug, dachte Gregor, der wusste, dass dieser Mensch in der vergangenen Nacht nicht von Insekten geträumt hatte, also ziemlich unvorbereitet war. Hoffentlich ist meine Stimme laut genug, sonst muss ein Esel her!

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imageDieser Text ist eine Leseprobe aus meinem Buch »Neuland«. Das kann man kaufen: Neuland: Erzählungen aus dieser und aus jenen Welten

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Foto: WikiCommons

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Mittwoch, 2. Juli 2014

Natürlich den Ball für’s Dilemma

2dQN1WHIch will über Fußball was schreiben.
Nur so, um die Zeit zu vertreiben,
denn jedermann weiß,
das Thema ist heiß!
In Reime werd' ich es verkleiden.

Man nehme sich zwei mal elf Männer,
die dürfen auch ausseh'n wie Penner.
Dazu einen Un-
parteiischen und
natürlich den Ball für's Dilemma.

Man schickt nun den Trupp auf die Wiese,
egal, ob Zwerg oder Riese.
Sie sollen sich streiten,
auch mit Tätlichkeiten,
gegen Gute, Neutrale und Fiese.

Das Publikum wird dann schon grölen,
die Maulwürfe zittern in Höhlen
und Löchern vor Schreck!
Es hat keinen Zweck,
sich die Ohren dagegen zu ölen.

Auch fern von des Stadions Rängen
sieht man die Menschen sich drängen.
Das nennt man dann Pabblik
Wjuhing! Und ich lach mich
krank über solch Sprachwissensmängel.

Denn jeder kann lesen und wissen
sogar mit dem Kopf auf dem Kissen:
Viewing heißt Leichenschau
Und eins weiß ich ganz genau
Ne Leich' beim Fußball wär beschissen.

Nun hab ich zum Thema geschrieben
und mir so die Zeit nett vertrieben.
Ich hoffe euch allen
hat das gut gefallen,
Die Besten werden schon siegen ...

Foto: rgbstock

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