Mittwoch, 29. Oktober 2014

Von der unbeschriebenen Tafel oder dem leeren Gefäß

Unser Leben wird nicht über Nacht kompliziert, sondern graduell und unscheinbar. Die Komplikationen schleichen sich heimlich an und ein, einen winzigen Schritt nach dem anderen.

  • Heute bestelle ich einen stärkeren W-Lan-Repeater online, morgen schenkt mir jemand einen neuen Flaschenöffner, dann bekomme ich einen Radiowecker als Warenprobe, schließlich fällt mir ein, dass ich ein neues mobiles Telefon gebrauchen könnte ... Stück für Stück häufen sich Dinge an, weil ich nicht gleichzeitig Altes (den alten Flaschenöffner, den vorigen Wecker, das bisherige Mobiltelefon) entsorge – verschenke, verkaufe oder wegwerfe, je nachdem.
  • Da sage ich per E-Mail zu, eine Moderation zu übernehmen, da nehme ich eine Einladung zu einer Firmenfeier an, da möchte mich jemand zum Kaffee treffen, da entschließe ich mich, bei einem Projekt mitzuarbeiten, ein Ehrenamt zu übernehmen ... ein Ja nach dem anderen – und plötzlich bin ich nur noch beschäftigt. Sicher mögen das alles gute und wichtige Tätigkeiten sein, das steht außer Frage. Aber wie viele kommen da im Lauf des Monats, des Jahres auf mich zu?
  • Ich lese die Online-Nachrichten, schaue bei Facebook nach, was die Freunde so treiben, werfe einen Blick in den Posteingang bei Googlemail, höre bei Expectingrain in das Bob Dylan Konzert von gestern Abend hinein, schaue nach, welche Produktproben ich anfordern könnte ... und plötzlich habe ich zwei Stunden am Computer verbracht. Nichts gegen Informationen, soziale Kontakte, Musik von His Bobness oder kostenlose Waren – aber wie viel davon verkraftet mein Tagesablauf?

Wie können wir gegen dieses schleichende Anhäufen von Ballast, gegen diese versteckte Verkomplizierung unseres Lebens vorgehen? Was hilft gegen Überfrachtung, die letztendlich jedes Schiff zum Sinken bringt? Wir müssen buchstäblich einen Schritt zurücktreten.

slateAnstatt darüber nachzudenken, wie wir dieses komplizierte Durcheinander loswerden können, fragen wir uns: Was würde ich auf die frisch geputzte, unbeschriebene Schiefertafel meines Lebens schreiben? Ich hoffe, meine Blogbesucher wissen überhaupt noch, wozu eine Schiefertafel taugt. Sonst hilft sicher Tante Google. Falls Tante Google gerade unerreichbar ist, kannst du auch diese Variante wählen: Wenn mein Leben ein leeres Gefäß mit begrenztem Fassungsvermögen, eine Pappschachtel vielleicht, wäre, womit würde ich es füllen?

Beantworten darf und muss sich diese Frage jeder selbst. Für mich würde in Frage kommen:

  • Zeit mit meiner Frau und der Familie verbringen
  • Gute Bücher lesen
  • Gute Musik genießen
  • Sportlich aktiv sein
  • Fotografieren
  • Schreiben
  • Meditierend zur Ruhe und Entspannung kommen
  • Einer Arbeit nachgehen, die mir Freude macht und leicht fällt
  • Immer etwas dazulernen
  • Spazieren gehen und dabei über Gott nachdenken oder Gedanken oder Worte an ihn richten

boxDas wären einige geeignete Inhalte für das leere Gefäß oder die frisch geputzte Tafel meines Lebens, die mir spontan einfallen. Die Reihenfolge ist übrigens zufällig, hat nichts mit Prioritäten zu tun. Vollständig ist sich sicher auch nicht. Bei dir, lieber Blogbesucher, mögen es ganz andere Inhalte sein. Was käme bei dir  in das Behältnis?

Wenn wir erst einmal herausgefunden haben, was auf der Schiefertafel unseres Lebens stehen soll ... dann können wir Tag für Tag und bei jeder Tätigkeit oder Anforderung überlegen: Gehört das jetzt auf meine Tafel? Oder, weil Tante Google nicht erreichbar war: Passt oder muss das wirklich in meinen Karton hinein?

Und dann können wir uns auch relativ leicht von überflüssigem Ballast trennen, seien es Dinge oder seien es Verpflichtungen und Aufgaben. Manches in unserem Leben wird unvermeidlich sein und bleiben, obwohl wir es nicht auf unsere Schiefertafel notieren würden – das ist nun einmal so. Den Traumjob oder das bedingungslose Einkommen dürften die wenigsten von uns haben …

Aber immerhin hilft uns die Vorstellung der leeren Schachtel vielleicht, unser Leben etwas weniger kompliziert und etwas weniger überfrachtet zu gestalten.

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Ehre, wem Ehre gebührt:

  • Den Anstoß für diese Gedanken verdanke ich wieder einmal Leo Babauta
  • Die Bilder stammen von Rgbstock Bild 1 /// Bild 2
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Mehr zum Thema gesünderes und glücklicheres Leben steht in diesem Buch:
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