Freitag, 27. Februar 2015

Ich bin so gerne unmodern.

Modern sein - das halten viele für richtig und wichtig. Aber was heißt das eigentlich bezüglich unseres Lebensstils? Bedeutet »moderner Lebenswandel« hohe Anspannung und ständige Sorge um Aufgaben, Arbeitspensum und Lebensunterhalt, gepaart mit sozialer Phobie? Ist man »modern«, wenn einem Friede, Ruhe, Gelassenheit und heitere Gemütsruhe fremd geworden sind?

Zugegeben: es gelingt mir nicht immer, im Berufsleben - oder bei Terminfülle auch im privaten Bereich - die Ruhe zu bewahren. Aber ich habe inzwischen ein paar Dinge gelernt, die mir dabei helfen, deutlich öfter und leichter als früher einmal Gelassenheit und inneren Frieden wieder herzustellen. Möglich ist das durch Gewohnheiten, die ich mir im Laufe der Zeit angeeignet habe. Ich bin, wie gesagt, nicht perfekt darin, aber ich halte an diesen Gepflogenheiten fest und erlebe sie stets als hilfreich.

Es sind Gewohnheiten, von denen hier die Rede ist, also keine Entscheidungen für den Moment aus dem Moment. Nichts, was man einmal tut, um etwas zu erledigen. So leicht ist es leider nicht, Stress von Geist, Körper und Seele fernzuhalten.

Wir reagieren natürlich alle irgendwie auf gewisse Ereignisse und Umstände, wenn sie uns begegnen. Wir können auch meist nicht beeinflussen, welche Situationen auf uns zukommen, wie Menschen mit uns umgehen. Das einzige, was in unserer Hand liegt, ist unsere Reaktion darauf - und die ist oft ausschlaggebend für unser weiteres Befinden. Man kann auf das gleiche Ereignis mit Angst und Wut reagieren oder mit Ruhe und Besonnenheit.

Wie geht das nun aber konkret?

Hier sind meine persönlichen Erfahrungen - ob die bei meinen geschätzten Lesern funktionieren, darf jeder und jede selbst herausfinden.

1. Ein Morgen ohne Hektik.

Ich stelle den Wecker so rechtzeitig ein, dass ich vor dem Aufbruch zum Arbeitsplatz ausreichend Zeit für eine Tasse Kaffee habe, beim Genießen desselben in Ruhe einen neugierigen Blick ins Internet tun, ohne Eile duschen und mich ankleiden und mir meinen Kaffee zum Mitnehmen nebst Frühstück vor- und zubereiten und dann auch noch den Weg zur Arbeit mit dem Auto ohne Stress am Steuer bewältigen kann.

2. Aufmerksamkeit für die eigenen Reaktionen.

Wenn mir eine Situation begegnet, die Stress verursachen möchte, wie reagiere ich darauf? Ich habe mir angewöhnt, nicht sofort aktiv zu werden, sondern zuerst meine impulsive Reaktion in Augenschein zu nehmen. Bekomme ich einen Schreck und reagiere mit Flucht- oder Angriffsreflex? Fühle ich mich entmutigt und überwältigt? Oder reagiere ich gar mit Selbstmitleid: warum schon wieder ich? Nur wenn man die eigene impulsive Reaktion bewusst erkennt, kann man gegebenenfalls gegensteuern.

3. Nicht alles gleich persönlich nehmen.

Wir neigen vermutlich alle dazu, Dinge persönlich zu nehmen. Mir zumindest geht es oft so. Wenn jemand etwas tut, was uns missfällt, werten wir es (innerlich) als persönlichen Affront. Es gibt sogar Menschen, die meinen, das Universum oder Gott hätte etwas gegen sie persönlich, weil ihnen dieses oder jenes widerfährt. Das halte ich für ziemlichen Unfug.
Meist hat die andere Person ein Problem, nicht ich selbst, wenn es zu unangenehmen und unerfreulichen Begegnungen kommt. Und oft genug weiß ich einfach zu wenig über das, was im Mitmenschen vorgeht, um ein auch nur einigermaßen angemessenes Urteil über sein Verhalten zu bilden. Ich erinnere mich an eine Gelegenheit, bei der ich im Kreisverkehr die Vorfahrt missachtet habe. Nicht, weil ich den Autofahrer, der wegen meines Fehlverhaltens bremsen musste, nicht mochte, sondern weil meine Gedanken bei meiner Frau waren, die zu jenem Zeitpunkt im Krankenhaus operiert wurde.
Man kann es sich durchaus angewöhnen, Ereignisse nicht sofort als Angriff zu betrachten sondern eher wie ein Ereignis, das gar keinen persönlichen Bezug hat. Wenn ein Blatt vom Baum fällt oder ein Vogel vorbeifliegt - dann kann ich darauf mit positiven Gedanken reagieren oder eben gar nicht. Das ist allein meine Entscheidung.

4. Dankbar sein.

Viele Menschen reden über Dankbarkeit ... aber wie oft wenden wir sie wirklich in unserem unspektakulären, ganz und gar alltäglichen Alltag an? Ich habe mir angewöhnt, so achtsam und sensibel für all das Gute wie möglich durch den Tag zu gehen.
Natürlich gibt es Dinge und Ereignisse, für die niemand dankbar sein kann, solange er noch seine Sinne beisammen hat. Dankbar sein für die Krebserkrankung? Nein. Nie und nimmer. Dankbar für den frühen Tod des Vaters? Nein. Nie und nimmer. Dankbar für die rücksichtslose Kollegin, die beim winzigsten Sonnenstrahl die Jalousien schließt? Nein. Nie und nimmer. Und so weiter. Da kann sich sicher jeder Leser eine eigene Liste zusammenstellen.
Aber das schließt doch nicht aus, dass ich dankbar bin für die mir heute wiederum verliehene Gesundheit. Für die glückliche Ehe. Für das Essen auf meinem Teller. Für die Mittagspause, in der ich im wärmenden Sonnenschein einen Spaziergang machen kann. Für den Frieden in unserem Land. Für die Freiheit, die wir genießen. Und so weiter. Auch hier kann sich sicher jeder Leser eine eigene Liste zusammenstellen.

5. Strategien gegen ungesunde Folgen von Stress entwickeln.

Auf Stress reagieren wir meist so, dass wir uns selbst schaden. Mit Ärger, Wut, Rückzug ... manche Menschen neigen zu Fressattacken, andere greifen zu Alkohol oder Drogen oder landen in einem Kaufrausch ... es gibt zahllose Möglichkeiten, die uns nichts Gutes tun.
Wenn man, siehe Punkt 2, verstanden hat, wie die eigene typische Reaktion aussieht, kann man sich angewöhnen, anders zu reagieren. Zum Beispiel den Alkohol stehen lassen und statt dessen einen Spaziergang in grüner Umgebung machen. Statt sich mit Süßigkeiten vollzustopfen geht man eine Runde Joggen. Statt ins Kaufhaus zu stürmen und Dinge zu kaufen, die gar nicht benötigt werden, eine halbe Stunde meditieren.

6. Kein Multitasking!

Zu diesem Thema gibt es bereits einen ausführlicheren Artikel aus meiner Feder: [KLICK!]
Überall sieht man es: Textnachrichten werden nebenbei während der Sitzung verfasst, beim Essen werden Vertragskonditionen besprochen, sogar die ARD fordert per Einblendung dazu auf, sich während der Tatort noch läuft bereits online zu äußern und zu kommentieren ... Multitasking ist so modern wie schädlich. So nähren wir das Gefühl, immer noch mehr gleichzeitig schaffen und erledigen zu müssen, weil wir sonst nicht »dazugehören«, nicht »mithalten«. Das geht dann so weit, dass uns ein schlechtes Gewissen plagt, wenn wir eine halbe Stunde gar nichts tun. ‚Ich sollte jetzt den Abwasch erledigen, ich könnte jetzt die kaputte Sicherung im Auto suchen und ersetzen, der Müll müsste runtergebracht werden ...‘
Ich habe mir angewöhnt, eine Sache zu tun. Eine. Nicht zwei und nicht drei gleichzeitig. Zum Beispiel beim Beginn der Arbeit: Ich gehe die eingegangenen Emails durch und bearbeite die Anliegen, soweit es sofort möglich ist. Urlaubstage buchen, eine Auskunft erteilen, eine Bescheinigung anfordern und so weiter. Was erledigt ist, wird sofort aus dem Posteingang entfernt. Ich esse auch nicht nebenbei, während ich noch mit einem Arbeitsgang beschäftigt bin. Ich schreibe keinen Arbeitsvertrag, wenn ich die Gehaltsabrechnungen durchführe. Punkt. Basta.
Ich lade meine geschätzten Leser ein, es auszuprobieren: Eine Sache, dann erst die nächste. Es ist erstaunlich, wie viel Gelassenheit und Ruhe im Inneren entsteht und es ist (für manche chronischen Multitasker) genauso erstaunlich, wie viel mehr man auf diese Weise tatsächlich abarbeiten und erledigen kann.

7. Ruhe schaffen.

Mein Alltag ist von Geräuschen noch und noch erfüllt. Vom klingelnden Telefon bis zu irgendwelchen Durchsagen beim Einkaufen, vom Straßenlärm in Neukölln (mein Arbeitsplatz) bis zum vernehmlichen Schleudergang der Waschmaschine gibt es genug Lärm, den wir nicht einfach abstellen können. Um so wichtiger ist es, das auszuschalten, was abschaltbar ist.
Mein PC gibt keinen Ton von sich, wenn eine Email eingeht. Mein mobiles Telefon ist so gut wie immer stummgeschaltet. Wenn ich mit dem Hund spazieren gehe, höre ich keine Musik über Kopfhörer. Manchmal ist so ein Kopfhörer hilfreich: Beim Sport im Sportstudio zum Beispiel, um nicht die Ummts-Ummts-Ummts-Beschallung mit Piepsstimmenbeigaben ertragen zu müssen, die dort über die Hauslautsprecher übertragen (und für Musik gehalten) wird. Oder beim Mittagsspaziergang im Industriegebiet, da höre ich lieber klassische Musik als Verkehrs- und Maschinenlärm. Ich höre auch zu Hause gerne Musik, kann dabei wunderbar entspannen, aber wichtig und heilsam und wohltuend sind mir auch die stillen Zeiten geworden, in denen einfach nur Ruhe herrscht. Ob zu Hause auf dem Sofa oder unterwegs im Grünen.

Das alles mag nicht modern sein. Man ist heute ‚in‘, wenn man von Termin zu Termin hetzt, zehn Sachen gleichzeitig macht und dabei ständig mürrisch aus der Wäsche schaut. Da bin ich lieber gelassen und unmodern.

Ich wünsche meinen Lesern in diesem Sinne unmoderne, aber dafür weit weniger schädliche Zeiten in ihrem Leben.

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Mehr zum Thema gesünderes und glücklicheres Leben steht in diesem Buch:
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Mittwoch, 25. Februar 2015

Joggathon: 31. Mai 2015

Meine geschätzten regelmäßigen Blogbesucher werden sich lebhaft erinnern, was ein Joggathon ist und was es mit meiner Beteiligung und der Beteiligung meiner Leser an meiner Beteiligung auf sich hat. Wer das nicht weiß, kann die Einzelheiten der Veranstaltung 2014 hier nachlesen: [Joggathon 2014].

jogg2013 war der Joggathon eine nasskalte Angelegenheit, 2014 konnte man bei 30 Grad Celsius in praller Sonne über Kälte nicht klagen.

Und 2015?

Was das Wetter angeht, ist so gut wie alles außer Schneetreiben möglich, Schön wären natürlich mittlere Temperaturen, sagen wir so 20 Grad, leicht bedeckter Himmel und trockene Pfade für den Lauf, der wieder an der gleichen Stelle in Berlin Rudow stattfinden wird.

Der Veranstalter hat noch nichts außer den Termin bekannt gegeben – es gibt also noch keine Anmeldeformulare, keine Sponsorenlisten, keine Einladungskarten oder Prospekte und es ist auch noch nicht bekannt, welche gemeinnützige Organisation oder welches gemeinnützige Projekt die erlaufenen Gelder bekommen soll.

Aber ich dachte mir, ich kann ja meine geschätzten Blogbesucher schon einmal darauf vorbereiten, dass ich auch 2015 – vorausgesetzt, bei der nächsten Krebsnachsorgeuntersuchung Anfang Mai gibt es keine bösen Überraschungen – mitlaufen und wiederum Sponsoren suchen werde, die den guten Zweck der Veranstaltung über meine Teilnahme unterstützen. Oder selbst mitlaufen. Darüber freue ich mich ebenso!

Also: Termin vormerken – Laufschuhe aus dem Keller holen – Geldreserven in Augenschein nehmen – ich freue mich schon auf den 31. Mai und die Beteiligung meiner Blogbesucher.

Details und weitere Beiträge zum Thema folgen an dieser Stelle.

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Montag, 23. Februar 2015

Wer liest gerne, zügig und mit einem geschulten Auge für Tippfehler?

Nachtrag 24.2.: Ich lasse den Text unten als Blogbeitrag stehen – es hat sich ein kompetenter Lektor gefunden, der die Aufgabe gerne übernimmt. Weitere Zuschriften sind also entbehrlich.

In Kürze erscheint mein Roman »Es gibt kein Unmöglich« in einer überarbeiteten neuen Ausgabe bei Create Space, dem Verlag von Amazon.

BookCoverImageGibt es unter meinen Blogbesuchern Menschen, die nicht nur gerne, sondern auch zügig lesen, einen guten Blick für Tippfehler haben und noch dazu im Moment die notwendige Zeit aufbringen können und möchten, das soweit druckfertige Manuskript mit gezücktem (virtuellen) Rotstift in der Hand zu lesen? Es handelt sich um 240 Buchseiten als PDF-Dokument.

So könnte dann auch noch der letzte Tippfehler aufgespürt werden, der sich bisher so erfolgreich zu verstecken weiß. Womöglich findet jemand sogar noch einen Bruch in der Handlung oder eine Passage, die nicht ausreichend verständlich ist?

Als Lohn für die Mühe kann ich leider kein Honorar anbieten, aber ein gedrucktes Exemplar mit persönlicher Widmung geht auf jeden Fall sofort nach Erscheinen auf die Reise zu dem- oder derjenigen fleißigen Fehleraufspürundausmerzperson.

Falls jemand Interesse an dieser Aufgabe hat, freue ich mich über eine Email, die Details des Prozedere können wir dann unter vier Augen klären. Bitte als potentieller Lektor nicht per Kommentar oder via Facebook melden. Meine Emailadresse ist für ein geschultes Auge auf diesem Blog sehr leicht zu finden.

Bitte keine Zuschriften mehr – das Projekt liegt jetzt in guten Händen.

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Montag, 16. Februar 2015

Du bist kostbar!

Es gibt eine Initiative der Stiftung Deutsche Krebsgesellschaft, auf die ich meine geschätzten Blogbesucher gerne aufmerksam mache:
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(Auf das Bild klicken)

Donnerstag, 12. Februar 2015

Weiter sehr viel Grund für Dankbarkeit

Meinen geschätzten Blogbesuchern, die nicht auf Facebook mit mir verbunden sind, will ich die gute Nachricht des heutigen Krebsnachsorgeuntersuchungstages nicht vorenthalten, die man sicher auch von unseren Gesichtern kurz nach der Untersuchung ablesen kann:

Alles in Ordnung.

happy

Es folgt in den nächsten Wochen noch eine Darmspiegelung, da die letzte zwei Jahre her ist, aber weder Sonografie noch Laborwerte noch Lymphgefäße geben irgendwelche Hinweise auf Krebszellen oder neue Tumore.

Das sind nun schon 17 Monate ohne neue Metastasen und mit den aktuellen Blutwerten gab es auch eine historische Nachricht: Der kritische Gamma_GT-Wert ist zum ersten Mal seit September 2013 wieder im Normalbereich gelandet.

gamma

Das alles ist nicht selbstverständlich. Zwar tue ich dazu, was ich kann (Sport, Ernährung, positive Lebenseinstellung …), aber letztendlich kann ich mir Gesundheit weder erarbeiten noch verdienen. Daher haben wir wieder einmal Gott zu danken und all unseren Freunden, Verwandten und Bekannten, die uns so treu begleiten und mittragen.

Danke!

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Mittwoch, 11. Februar 2015

Julias Erkenntnis

Julia war in ihre Arbeit vertieft. Am Rande hörte sie, dass ein Kollege sich in einem Telefonat sehr erniedrigend über ihre Arbeitsweise äußerte. Sofort war sie aufgebracht, schaltete innerlich auf Abwehrhaltung und ihre Gedanken kreisten den restlichen Bürotag über nur darum, wie falsch der Kollege mit seiner Einschätzung lag und wie sie ihn wohl von der Wahrheit, nämlich gute Arbeit zu leisten, überzeugen könnte.

Zu Hause angekommen trat sie in die Küche, wo sich das benutzte Geschirr türmte. Der Mülleimer war übervoll. Julia ärgerte sich, dass ihr Lebensgefährte so rücksichtslos war und alles stehen und liegen ließ. Warum konnte er nicht einmal solche kleinen Dinge wie den Abwasch oder das Leeren des Mülleimers erledigen?

Den ganzen Abend brodelte der Ärger in ihr ... warum behandelten der Kollege und der Lebensgefährte sie so unangemessen? Was hatte sie denn verbrochen, dass immer sie wegen solcher Gehässigkeiten und Gedankenlosigkeit so frustriert, wütend und genervt sein musste? Warum durfte sie nicht ihr Leben genießen?

Am nächsten Tag fiel Julia auf, dass auch andere Menschen zeitweise frustriert, gestresst und wütend waren. Sogar von den Gesichtern fremder Passanten auf der Straße konnte sie das ablesen. Kolleginnen maulten nur herum, als sie in der Mittagspause zu Tisch saßen. Im Sportstudio nach dem Feierabend gab es zuhauf missmutige Gesichter zu sehen. Was war bloß los?

ofjLseoUnd dann, so wie ein Sonnenstrahl manchmal durch eine dichte Wolkendecke bricht,  sah Julia plötzlich etwas Sonderbares: Jeder Mensch trug einen Schatz bei sich, den es zu beschützen galt. Einen wunderschönen Edelstein, den niemand sonst sehen konnte, der aber gleichwohl äußerst wertvoll war und unbedingt beschützt werden musste. Ein innerlicher Edelstein.

Sobald es zwei Menschen miteinander zu tun hatten, waren beide gleichermaßen besorgt, dass der andere ihren Schatz angreifen würde - selbst wenn das Gespräch sich um völlig andere Dinge drehte und vom Edelstein überhaupt nicht die Rede war. Letztendlich ging es immer und überall nur darum, den eigenen inneren Schatz zu verteidigen.

Julia wusste, dass diese Edelsteine in Wirklichkeit nicht existierten, dass alle Menschen sich lediglich einbilden, sie trügen eine derartige Kostbarkeit mit sich herum ... ohne die Täuschung überhaupt zu begreifen oder zu bemerken.

Julia begriff, dass das Ganze eine große Illusion war. Und dass diese Illusion die Menschen unglücklich machte.

Von diesem Tag an hörte sie auf, den inneren Edelstein zu beschützen. Sie hörte auf, stets im Recht sein zu wollen, gut und kompetent und perfekt erscheinen zu müssen. Sie musste sich auch selbst nicht mehr als unfehlbare Person begreifen. Dadurch konnte sie nun aufhören, sich ständig angegriffen zu fühlen durch Worte oder Handlungen ihrer Mitmenschen, denn das hatte jetzt nichts mehr mit ihrem Selbstwertgefühl und ihrer Selbstachtung zu tun. Sie musste ihre Position und ihr Image nicht mehr verteidigen.

Und während sie sich sanft von diesen Illusionen verabschiedete, wurde sie immer glücklicher. Wenn jemand in ihrer Umgebung anfing, seinen eingebildeten Edelstein zu beschützen, konnte Julia darüber lächeln. Sie hatte begriffen, dass deren Aggression und Unhöflichkeit gar nichts mit ihr selbst zu tun hatten. Es ging solchen Rüpeln und achtlosen Menschen nur darum, den eingebildeten Schatz gegen einen eingebildeten Angriff zu verteidigen.

Julia lächelte, ging ihrem Tagewerk nach, wurde von Tag zu Tag zufriedener und versuchte, ihren Teil zu einer besseren Welt beizusteuern.

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(Nach einer Idee von Leo Babauta)
Foto:
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Mehr zum Thema gesünderes und glücklicheres Leben steht in diesem Buch:
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Freitag, 6. Februar 2015

Vom Auf und vom Ab und vom Akzeptieren

Vom Fernsehsender Arte wurde am Welt-Krebs-Tag der faszinierende Film »Heute bin ich blond« ausgestrahlt. Er erzählt die wahre Geschichte einer 21jäghrigen, die aus heiterem Himmel erfährt, dass sie an Krebs erkrankt ist - mit einer 15prozentigen Überlebenschance. Der Kampf gegen die Krankheit, den die junge Frau aufnimmt, führt auf etliche Höhen und in manche Tiefen, die in eindringlichen Bildern gezeigt werden. Der Film endet mit der guten Nachricht, dass der Tumor restlos verschwunden ist.

Dass damit die Geschichte für Sophie van der Stap, so heißt die junge Frau im wirklichen Leben, nicht zu Ende ist, wird zwar nicht erzählt, aber es ist zu vermuten. Derart aggressive Chemotherapien und Bestrahlungen hinterlassen Schäden, sicher auch in einem so jungen Körper. Vielleicht berichtet Frau van der Strap in ihrem Buch darüber mehr, das habe ich nicht gelesen.

Der Arm zwei Stunden nach dem ChemieunfallMir geht es mit den Spät- und Dauerfolgen nicht immer gleich. Ich beobachte ein Auf und Ab, das keinem regelmäßigen Rhythmus folgt und auch keine Ursachen erkennen lässt.
Zum Beispiel der bei der Chemotherapie geschädigte rechte Arm:

Als es vor ein paar Wochen kalt wurde in Berlin, nahmen die Schmerzen deutlich zu, es ging so weit, dass ich den Arm kaum noch zu benutzen wagte und beispielsweise Notizen während der Arbeit mit der linken Hand anfertigte. Haushaltstätigkeiten wie Staubsaugen musste ich gänzlich einstellen oder eben »mit Links« bewältigen. Nachts wachte ich öfter auf, weil die Schmerzen durch eine ungünstige Lage des Arms überhand nahmen. Meine Vermutung war, dass die kalte Witterung dieses Ab verursachte - obwohl ich mich nicht an etwas derartiges im letzten Winter erinnern konnte. Heute ist es draußen immer noch kalt, aber das Schmerzniveau im Arm ist wieder auf das übliche Maß, das ich im Alltag kaum wahrnehme, zurückgegangen.

So ist es auch mit anderen Phänomenen, von der Verdauung über die erektile Dysfunktion und Fatigue bis zum Taubheitsgefühl in Fingern und Zehen: Auf und Ab, ohne für mich erkennbare Ursachen oder Zusammenhänge.

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende. ~Demokrit

Ich will meinen Lesern, die selbst an Krebs erkrankt sind oder erkrankte Verwandte haben, und solche Leser gibt es wie ich weiß eine Menge, Mut machen: Seit ich vor längerem beschlossen habe, anstatt mit dem Schicksal oder Gott zu hadern und mich zu bemitleiden, werde ich damit besser fertig. Das heiß nicht, dass so etwas schön wäre oder leicht fällt. Das heißt nicht, dass ich mich zurückziehe und den Kampf auch gegen solche Symptome aufgebe. Nein, das heißt es nicht. Aber es liegt eine Menge Kraft im Akzeptieren von Tatsachen.

Der Arm drei Tage nach dem UnfallDas sieht bei mir, um auf das erste Beispiel zurückzukommen, so aus: Anstatt zu sagen: ich wünschte, mein rechter Arm wäre nicht beschädigt worden; anstatt zu jammern: warum musste eine so seltene Katastrope ausgerechnet mich treffen; anstatt Schuldige zu suchen: warum haben die Ärzte bei der Infusion nicht besser aufgepasst, warum hat Gott kein Auge auf die Situation geworfen ...

... sage ich mir: Das Gewebe ist zum Teil zerstört, die Nerven sind zum Teil irreparabel beschädigt. Das ist jetzt so. Der gesunde Arm ist Vergangenheit und kommt nicht wieder. Das ist die Situation, und nun schaue ich, wie ich aus den Tatsachen das Beste mache. Kann ich durch Vermeidung bestimmter Bewegungen Schmerzen vermeiden? Was kann ich alles auf die linke Hand übertragen? Kann ich durch Massage oder bestimmte Haltungen für eine Kräftigung der verbliebenen Muskeln sorgen? Ich probiere manches einfach aus, weil es hinreichende medizinische Erkenntnisse und ärztlichen Rat bei solch seltenen Fällen nicht gibt.

Manches hilft. Manches geht mal, dann wieder nicht. Was nicht funktioniert, funktioniert eben nicht. Damit finde ich mich ab und prüfe, ob es und wie es vielleicht auf andere Weise Besserung und Abhilfe gibt.

So ist es eben. Einiges gelingt. Anderes misslingt. Mal wird etwas deutlich besser, dann plötzlich wieder schlechter. Auch das kann ich akzeptieren, anstatt darüber zu jammern. Mein Glas ist nämlich immer noch halb voll, selbst wenn die Hälfte der Inhaltes verschüttet wurde und nicht wieder aufgefangen werden kann

Und manchmal, das hat die Geschichte von Sophie van der Stap mir wieder vor Augen geführt, reichen sogar 15 Prozent.

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Montag, 2. Februar 2015

Was sind schon ein paar hundert Meter

Wenn man, so wie ich, Ausdauersport nicht nur der Vermeidung von Dickleibigkeit samt allen daraus folgenden Malaisen zuliebe betreibt, sondern auch um das körpereigene Immunsystem für den Kampf gegen Krebszellen fit zu halten, ist das Notieren von absolvierten Trainingseinheiten eine gute Motivationshilfe.

Statt Bleistift und Tagebuch oder Notizblock benutzt man dafür heutzutage natürlich bevorzugt elektronische Hilfsmittel, in meinem Fall ist das ein mobiles Telefon mit einer entsprechenden Applikation. Seit April 2013, das sind inzwischen also 10 Monate, habe ich »Runtastic« verwendet und bin eigentlich (trotz der aufdringlichen Werbung in der kostenlosen Version) recht zufrieden, da ich auf der zugehörigen Internetseite auch die Trainingseinheiten aus dem Sportstudio eintragen und übersichtliche Statistiken abrufen kann. So weiß ich, dass ich in den zehn Monaten 922,09 Kilometer gelaufen bin und dafür 97 Stunden, 22 Minuten und 53 Sekunden gebraucht habe.

Wie genau oder ungenau solch ein Mobiltelefon mit seinem GPS-Empfänger und die Software den zurückgelegten Weg aufzeichnen, ist allerdings auch offensichtlich, wenn ich mir die Grafiken anschaue:

runkeeper

Das Bild spricht für sich … denn ich bin ja von zu Hause losgelaufen und habe dort auch das Jogging beendet, also liegen Start- und Endpunkt nicht nebeneinander, sondern sind identisch. Und ich habe zwei Runden am Ufer des Kanals entlang absolviert, nördlich hin, südlich zurück, ohne durch das Wasser zu rennen oder über Gebäude und Zäune und Privatgelände zu klettern und zu laufen.

Die Runtastic-Applikation scheint mir etwas zuverlässiger aufzuzeichnen als der »RunKeeper«, mit dem das obige Bild entstanden ist. Der ist aber andererseits etwas motivierender, weil er nicht nach zwei Kilometern die Ansagen einstellt wie »Runtastic« (damit man endlich zur kostenpflichtigen Version wechselt).

Ob ich also nun tatsächlich ein paar hundert Meter mehr oder weniger zurückgelegt habe als das Gerät mir am Ende anzeigt, sei dahingestellt. Motivierend ist das trotz solcher Ungenauigkeiten allemal.

Und besonders gefreut habe ich mich über den gestrigen Lauf, bei dem ich zum ersten Mal über 15 Kilometer gelaufen bin, in weniger als eineinhalb Stunden. Davon hätte ich nicht einmal zu träumen gewagt, als ich mir nach beiden Krebsoperationen gesagt habe: Auf geht’s! Nicht aufgeben, nicht resignieren, sondern dran bleiben.

Es gibt viel Grund zur Dankbarkeit in meinem Leben. Solche Leistungsfähigkeit ist einer dieser Gründe.