Freitag, 31. Juli 2015

Kaum zu glauben: Bob Dylan singt wieder!


Regelmäßige Blogbesucher wissen es: Bob Dylan gehört zu meinen bevorzugten Künstlern. Seit ich in jungen Jahren die erste Platte (Freewheelin’) bei meinem älteren Bruder gehört hatte. Ich habe in meinem Leben etliche Konzerte von Bob Dylan besucht (darunter das legendäre Nürnberg-Konzert 1978) und sehr genossen.

In den letzten Jahren allerdings habe ich jegliche Lust verloren, mir eine Eintrittskarte für ein Dylan-Konzert zu kaufen. Egal, wo er unterwegs war, Nordamerika, Fernost, Europa, er weigerte sich beharrlich, auf der Bühne zu singen. Statt dessen beschränkte er sich auf ein gewollt heiseres Knurren, Krächzen und gelegentlich Knarzen, stets auf dem gleichen Ton, höchstens zwei Töne nach unten oder oben wich er davon ab. Mit Gesang hatte das nichts mehr zu tun. Und gefallen hat es mir auch nicht. Expecting Rain und all den fleißigen Bootleggers da draußen sei Dank kann man ja jedes Konzert, meist schon ein paar Stunden nach dem Ende, anhören, wenn man sich die Mühe macht, sich einmal kostenlos zu registrieren und dann das jeweilige Material herunterzuladen.

750px-Lörrach_-_Burg_Rötteln_-_Panorama2Trotz meines Missfallens an seinen Darbietungen habe ich all die Jahre immer wieder, die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, in die Konzerte hineingehört und mich immer wieder ernüchtert anderen Dingen gewidmet. Und nun, 2015 im Sommer, geschieht schier Unglaubliches: Bob Dylan singt wieder. Ein feines Exempel ist das Konzert vom Marktplatz in Lörrach. Der Link (ohne Umweg über Expecting Rain) folgt gleich, nur Geduld!

Nicht alle Lieder sind gleichermaßen gelungen. Aber immerhin, überwiegend ist das ein ganz und gar hörenswertes Konzert. Was mir nicht gefällt: »Duquesne Whistle« kommt völlig lustlos und wie ein Pflichtprogramm heruntergeleiert herüber. »Pay in Blood« und »Early Roman Kings« sind so langweilig wie auf dem Album ... man hofft, dass das Ende bald erreicht ist.

Aber! Aber aber aber! »She Belongs to Me« ertönt in einer so bezaubernden Version, dass der Song wie neu klingt. Von »Shelter from the Storm« war ich erst enttäuscht, aber dann, ab der dritten Strophe, erschloss sich der Zauber dieses vollkommen ungewohnten Arrangements. »Tweedle Dee & Tweedle Dum« hopst und kullert fröhlich als Kinderlied durch die Gegend, was es ja im Grunde genommen von Anfang an war. Hier hat das Lied ein passendes Gewandt gefunden. Bei »Desolation Row« blitz der zornige Bob Dylan der 70ger und 80ger Jahre durch.

Der Rest der Songs wird wenig spektakulär gespielt, aber durch die Bank weg passiert das Unerwartete: Bob Dylan singt. Melodien. Er hat mehr als vier oder fünf Töne zur Verfügung und er nutzt sie auch.

Wer sich selbst ein akustisches Bild machen möchte, klickt bitte hier: [Bob Dylan in Lörrach]. (Falls der Link eines Tages nicht mehr funktioniert, muss sich der geschätzte Blogleser doch auf den Weg zu Expecting Rain machen …)

Set 1:
Things Have Changed
She Belongs to Me
Beyond Here Lies Nothin'
Don't Think Twice, It's All Right
Duquesne Whistle
I'll Be Your Baby Tonight
Pay in Blood
Full Moon and Empty Arms
Set 2:
The Levee's Gonna Break
Visions of Johanna
Early Roman Kings
Shelter from the Storm
Blind Willie McTell
Tweedle Dee & Tweedle Dum
Desolation Row
Ballad of a Thin Man
Encore:
All Along the Watchtower

P.S.: Tickets für die Auftritte in Berlin werde ich mir dennoch nicht kaufen - bei Preisen von 100 Euro an aufwärts mag ich im Fall Bob Dylan nicht mehr mitmachen.

P.P.S.: Das Foto von Lörrach stammt von Wikipedia.
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