Donnerstag, 18. Februar 2016

Die beste Medizin gegen Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen

Ein Tumor entsteht, wenn sich Zellen unkontrolliert zu vermehren beginnen und umliegendes Gewebe verdrängen. Dass regelmäßiger Sport das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen vermindern und die Wahrscheinlichkeit für die Rückkehr eines Tumors reduzieren kann, haben bereits mehrere Analysen gezeigt.
-Welt online, Link siehe unten
Inzwischen bestätigen immer mehr Forschungsergebnisse, was mir intuitiv gleich nach der Darmkrebsoperation im März 2012 klar war: Ich muss mich bewegen, wenn ich gegen den Krebs ankämpfen will. Dass es dennoch keine Garantie gibt, weiß ich spätestens seit im Herbst 2013 zwei Metastasen in meiner Leber gefunden und entfernt wurden, aber zumindest kann ich mit dem Sport meinen Teil dazu tun, dass mein Körper Krebszellen erkennen und vernichten kann.
Die Daten einer relativ neuen Studie (der Link zum Fachartikel steht weiter unten) belegen eine führende Rolle natürlicher Killerzellen bei der Beeinflussung des Tumorwachstums. Diese Killerzellen werden produziert, wenn Ausdauersport betrieben wird. Es war bereits bekannt, dass die vom Körper produzierten Killerzellen die Größe von Tumoren kontrollieren und regulieren können, aber niemand hatte bisher geprüft, wie Bewegung dieses System beeinflusst. Als Mittler fungiere bei diesem Prozess das Signalmolekül Interleukin-6 (IL-6), heißt es in der Studie. Bei körperlicher Anstrengung werde das Molekül von den Muskeln verstärkt freigesetzt und helfe den Immunzellen, aus dem Blutstrom zum Tumor zu gelangen.
Krebspatienten stellten häufig die Frage, ob und wie umfassend sie Sport machen dürften, sagt Studienautorin Hojman. Das neue Ergebnis weise darauf hin, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, sich intensiv zu bewegen. Sporttherapien in die Tumorbehandlung einzubeziehen, müsse zum Standard werden, ist Bloch überzeugt. Ein großes Problem sei allerdings noch die Kostenübernahme – kaum eine Krankenkasse zahle die Sporttherapie derzeit.
-Welt online, Link siehe unten
P5312277Da kann ich den Autoren des Artikels nun allerdings nicht so ganz folgen. Alle Krankenkassen bezahlen eine Rehabilitationsmaßnahme nach einer Krebsoperation. Während der Rehabilitationsmaßnahme, die in der Regel mindestens drei Wochen dauert, kann jeder Patient diverse Sportarten kennenlernen und herausfinden, welche in Frage kommen. Oder mit welchen man anfängt. Nach der Operation konnte ich nicht auf das Laufband oder draußen joggen, auch das Schwimmen war zunächst unmöglich, aber Training auf dem Ergometer/Fahrrad klappte. Nach ein paar Monaten konnte ich auch wieder behutsam mit dem Lauftraining anfangen.
Um nach einer solchen Rehabilitationsmaßnahme langfristig weiter Sport zu treiben, braucht man keine Kostenübernahme durch eine Krankenkasse. Ein paar Laufschuhe alle zwei Jahre, Joggingbekleidung für kalte und warme Tage oder eine Badehose beziehungsweise einen Badeanzug und den Eintritt in eine Schwimmbad sollte sich so gut wie jeder und jede leisten können. Ein gebrauchtes Fahrrad kostet nicht die Welt. Für Ausdauersport, und genau der wirkt dem Krebs entgegen, braucht man keine teuren technischen Geräte, kein Fitnessstudio, keine sportmedizinische Betreuung.
Natürlich kostet es aber trotzdem etwas Geld, Ausdauersport zu treiben – kostenlos geht kaum. Da heißt es dann im Zweifelsfall abwägen, ob ein iPhone, eine Handtasche, ein schickeres Auto oder Weißnichtwasnochalles wirklich wichtiger und wertvoller sind. Es kostet auch Überwindung, vom Sofa aufzustehen und loszulaufen oder loszuradeln oder loszuschwimmen. Allerdings wird wohl jeder, der Sport betreibt, bestätigen, dass die Überwindung dieses inneren Schweinehundes deutlich schrumpft im Vergleich zum guten Empfinden nach dem Sport. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Da Ausdauersport (bei drei Mal pro Woche mindestens 45 Minuten) auch für Herz und Kreislauf die inzwischen nachweislich beste und preiswerteste Medizin ist, gibt es eigentlich auch für Menschen, die nicht an Krebs erkrankt sind, keinen vernünftigen Grund, sich nicht reichlich zu bewegen. Außerdem können die durch den Sport freigesetzten Killerzellen dafür sorgen, dass es gar nicht erst zur Entstehung von Tumoren kommt.
Wie gesagt: eine Garantie, mit Sport krebsfrei zu bleiben, gibt es nicht. Es gibt weitere Faktoren, von der Ernährung über das Rauchen und Umweltgifte bis zu erblichen Belastungen … aber welcher auch nur einigermaßen vernunftbegabte Mensch würde nicht das seinerseits Machbare dazutun, um die Chancen auf dauerhafte Gesundheit zu erhöhen?
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Freitag, 12. Februar 2016

Meditation für Anfänger: 17 praktische Tipps

Es gibt gute Gründe, warum die in der Regel knauserigen Krankenkassen Meditationskurse anbieten beziehungsweise bezuschussen. Simple Meditation kann bemerkenswert positive Auswirkungen auf die Gesundheit des menschlichen Körpers haben. Wenn der Geist sich entspannen darf, zur Ruhe kommen kann, dann lösen sich Muskeln genauso wie festgefahrene Denkmuster. Vom Herz-Kreislaufsystem bis zur Verdauung lassen sich gesundheitsfördernde Auswirkungen messen.

Durch Meditation kann der Mensch außerdem schlechte Gewohnheiten leichter ablegen und sich gute zügiger aneignen. Das Leben kann friedvoller werden, Sorgen nehmen ab, Achtsamkeit wird trainiert und die Dankbarkeit wächst fast automatisch.

Man versteht auch besser, was man tut und warum. Es gibt Menschen, die nicht sagen können, warum sie eine bestimmte Handlung getan haben - sie reagieren gedankenlos auf Auslöser oder Reize. Meditation hilft dem Menschen, mehr bewusste Entscheidungen zu treffen. Wer sich und sein Verhalten besser versteht, kann viel freier über Handlungsalternativen entscheiden als derjenige, der sich von Impulsen treiben lässt.

Solche Veränderungen passieren nicht über Nacht, aber sie finden wirklich statt. Um die segensreichen Wirkungen der Meditation zu erleben, ist Übung und Ausdauer notwendig. Erwarten Sie nicht, sofort gesünder zu werden, sofort gelassener zu reagieren, sofort überlegter zu handeln. Erwarten Sie auch nicht, dass die folgenden Tipps Sie zum Experten machen. Die kleine Auflistung ist lediglich eine Hilfe für Anfänger. Ich will erklären, wie man mit der Meditation beginnen kann, ohne nach ein paar Tagen frustriert wieder aufzugeben. Muten Sie sich nicht zu, alle Tipps gleichzeitig anzuwenden. Versuchen Sie es mit einigen wenigen, dann lesen Sie nach ein paar Tagen diese Liste noch einmal, suchen sich zwei oder drei andere Tipps aus. Und so weiter. Nicht alles passt für alle. Ich bin aber sicher, Sie werden eine Handvoll Anregungen finden, die für Sie persönlich hilfreich und praktikabel sind. Das genügt dann völlig.

1. Nur zwei Minuten. Es klingt erst einmal lächerlich einfach, lediglich zwei Minuten zu meditieren. Aber das reicht für den Anfang. Eine Woche lang jeden Tag zwei Minuten. Dann, in der nächsten Woche, vier Minuten täglich. Dann sechs. Im zweiten Monat sind Sie dann bei zehn Minuten, ganz spielerisch und ohne Mühe. Ich habe mir für mein mobiles Telefon eine Anwendung heruntergeladen, die sich »Meditation Timer« nennt. Sie können aber jede beliebige Stoppuhr verwenden.

zweiminuten2. Zeit festsetzen. Man nimmt sich leicht vor: Ich meditiere jetzt täglich ... und dann vergisst man es, weil der Tag so vollgepackt ist wie immer. Also legen Sie einen Termin fest. Ob das nun morgens nach dem Aufstehen oder um 9:45 oder um 14:55 ist - Hauptsache, Sie legen sich fest. Eine Erinnerung via PC oder Mobiltelefon ist schnell eingerichtet, oder Sie kleben sich einen Zettel zur Erinnerung an eine Stelle, die Sie nicht übersehen.

3. Kein Zubehör. Verheddern Sie sich nicht in irgendwelchen Überlegungen und Vorbereitungen: Wo soll ich sitzen, wie soll ich sitzen, brauche ich ein Kissen, welches Kissen ist am besten geeignet ... das sind alles nette Gedanken, aber sie sind am Anfang überhaupt nicht notwendig. Sie können auf einem Stuhl sitzen, auf einem Sofa, auf einem Bett. Sie können auch im Schneidersitz auf dem Boden sitzen, wenn das für Sie bequem ist. Es geht erst einmal nur um zwei Minuten, also setzen Sie sich einfach hin. Später, wenn Sie zehn Minuten meditieren, können Sie immer noch überlegen, wie Sie Ihre Haltung optimieren oder bequemer sitzen wollen. Am Anfang sollten Sie lediglich einen ruhigen Ort haben und sitzen können.

4. Aufmerksamkeit sammeln. Fangen Sie damit an, Ihre Empfindungen wahrzunehmen. Als Beginn jeder Meditation fragen Sie sich: Wie fühlt sich mein Körper an? Habe ich irgendwo Schmerzen? Wie geht es meinem Geist? Bin ich müde oder hellwach, schweifen meine Gedanken hin und her oder bin ich ruhig? Der Zustand, in dem Sie die Meditation beginnen, ist vollkommen in Ordnung. Sie ändern nichts. Sie machen es sich lediglich bewusst.

5. Alles richtig. Sorgen Sie sich nicht allzu sehr, ob Sie etwas falsch machen. Sie werden überlegen, ob Sie alles richtig machen - das tun wir alle. Aber Sie machen nichts verkehrt. Es gibt keine perfekte Art und Weise der Meditation. Freuen Sie sich einfach, dass Sie meditieren.

6. Atemzüge zählen. Nachdem Sie Ihr Befinden zur Kenntnis genommen haben, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem, achten Sie darauf, wie die Luft durch die Nase in Ihren Körper bis tief in die Lunge hineinströmt. Zählen Sie eins beim Einatmen und zwei, wenn die Luft wieder hinausströmt. So zählen Sie bis zehn, dann fangen Sie wieder mit eins an.

7. Abschweifen und zurückkehren. Ihre Gedanken werden abschweifen, das ist zu beinahe 100 Prozent sicher. Und das ist überhaupt kein Problem. Wenn Sie bemerken, dass Sie gedanklich ganz woanders sind, dann lächeln Sie und kehren sanft zum Atem zurück. Zählen Sie wieder eins, dann zwei ... ohne sich zu schelten. Vielleicht sind Sie im ersten Moment frustriert, dass Sie nicht einmal zwei Minuten bei der Sache sein können, aber das ist vollkommen normal. Das geht uns allen so, vor allem als Anfänger. Aber es geht um das Einüben, nicht um Perfektion. Sie werden im Lauf der Wochen feststellen, dass Ihnen das bei der Sache bleiben ganz von selbst immer besser gelingt.

8. Freundlich mit sich selbst. Entwickeln Sie eine liebevolle Haltung sich selbst und Ihren Gedanken gegenüber. Wenn Sie feststellen, dass sich Empfindungen und Gedanken in Ihre Meditation schummeln, halten Sie diese nicht für böswillig. Es sind Freunde, keine Eindringlinge oder Feinde. Sie gehören zu Ihnen, selbst wenn sie ungelegen kommen. Seien Sie nicht barsch, sondern freundlich mit sich selbst. Sorgen Sie sich nicht darum, wie Sie Ihren Geist »entleeren« können. Viele Menschen glauben, bei der Meditation ginge es darum, alle Gedanken zu unterbinden, den Geist leer zu machen. Das ist nicht der Fall. Es kann vorkommen, aber das ist nicht das »Ziel« von Meditation. Dass Ihre Gedanken kommen und gehen ist vielmehr völlig normal. Unsere Gehirne sind Gedankenfabriken, die man nicht einfach ausschalten kann. Stattdessen versuchen Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem zu lenken und wieder dorthin zurückzukehren, wenn Ihr Geist auf Wanderschaft gegangen ist.

9. Neugierde ist gut. Verharren Sie bei dem, was auftaucht. Das klingt wie ein Widerspruch zum eben Gesagten, aber es ist eher eine Ergänzung. Schon nach einer Woche Meditation sind die meisten Menschen in der Lage, bewusst bei einem Gedanken oder einer Empfindung zu verharren und anschließend zum Atem zurückzukehren. Gefühlen wie Frustration, Zorn oder Angst versuchen wir gerne auszuweichen - es ist aber erstaunlich wirkungsvoll, eine Weile während der Meditation bei ihnen zu verharren, falls sie kommen. Seien Sie solchen Gefühlen oder Gedanken gegenüber neugierig und betrachten Sie sie einige Augenblicke. Möglichst ohne eine Bewertung vorzunehmen.

10. Wer bin ich? Lernen Sie sich selbst kennen. Bei der Meditation geht es nicht nur darum, die Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes (wie den Atem) zu konzentrieren, sondern auch darum zu lernen, wie der eigene Geist funktioniert: Was geht da in mir vor? Zuerst mag alles noch undurchsichtig und vernebelt scheinen, aber je öfter wir unseren Gedanken zuschauen, wie sie entstehen und wohin sie wandern, desto mehr erfahren wir über uns selbst.

11. Sich lieben lernen. Freunden Sie sich mit sich selbst an. Während Sie sich selbst kennen lernen, bewahren Sie eine freundliche Haltung anstatt sich zu kritisieren. Sie lernen nämlich gerade einen Freund für das ganze Leben kennen. Lächeln Sie, zeigen Sie sich Liebe.

12. Durch den Körper wandern. Wenn es Ihnen nach einiger Übung leichter gelingt, Ihrem Atem zu folgen und dabei zu bleiben, können Sie auch anfangen, ab und zu durch Ihren Körper zu wandern. Beginnen Sie bei den Fußsohlen: Wie fühlen die sich an? Dann die Zehen: Sind sie kalt oder warm? Die Fußrücken: Gespannt oder locker? So können Sie bis zum Kopf und den Fingerspitzen durch Ihren Körper wandern und - ohne es zu bewerten - Ihre Empfindungen wahrnehmen.

13. Was passiert ringsum? Beachten Sie Licht, Geräusche, Gerüche und so weiter. Wenn Sie Ihrem Atem ganz leicht folgen gelernt haben, können Sie auch anfangen, sich auf etwas um Sie herum zu konzentrieren. Blicken Sie auf einen bestimmten Punkt im Raum und betrachten das Licht im Raum: Hell? Weich? Schummerig? Hat es einen Farbton? An einem anderen Tag achten Sie auf Geräusche: Tickt eine Uhr? Gibt es Motorenlärm von draußen? Rauscht irgendwo Wasser durch eine Leitung?

14. Meinen Sie es ernst. Nehmen Sie sich nicht vor, die Meditation ein paar Tage auszuprobieren, falls Sie gerade Lust haben, sondern verpflichten Sie sich ernsthaft und verbindlich (sich selbst gegenüber), wenigstens einen Monat durchzuhalten.

15. Es geht überall. Wenn Sie auf Reisen sind oder Ihre übliche Meditationszeit zu Hause aus irgendwelchen Gründen ausfallen muss, dann meditieren Sie an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit. In einem Park. Während Sie spazieren gehen. Am Anfang ist ein ruhiger Ort und ein Sitzplatz am besten für die Meditation geeignet, aber im Lauf der Zeit werden Sie auch in der Lage sein, diese Art von Achtsamkeit so gut wie überall zu praktizieren. Ich beispielsweise meditiere gerne zweimal wöchentlich nach dem Sport in der Dampfsauna.

16. Geführte Meditationen ausprobieren. Ich meditiere lieber alleine und ohne akustische Anleitung, aber für manche Menschen, vor allem Anfänger, ist es hilfreich, eine Audioanleitung zu hören oder in einer Gruppe oder zu zweit durch die Meditation geführt zu werden. Sie können ausprobieren, ob das für Sie in Frage kommt. Google verrät bestimmt auch Ihnen, wo Sie kostenlose Meditationen herunterladen können.

17. Lächeln. Wenn Sie mit den zwei Minuten Meditation fertig sind, lächeln Sie. Seien Sie dankbar, dass Sie diese Zeit nur für sich selbst finden konnten. Freuen Sie sich, dass Sie ihrem guten Vorsatz die Tat haben folgen lassen. Lächeln Sie, weil Sie sich selbst besser kennen lernen und zur Ruhe kommen konnten. Das waren zwei wertvolle Minuten! Und später vier wertvolle Minuten. Dann sechs …

Das klingt alles ganz einfach? Das ist es ja auch.

Nicht immer wird die Meditation ruhig und ungestört verlaufen, es wird Ihnen nicht immer leicht fallen, sich die Zeit zu nehmen und Ihre Gefühle werden nicht immer gleich gut sein. Aber jedes Mal werden Sie sich, Ihrer Gesundheit, Ihrem Geist etwas Gutes tun. Sie können heute damit anfangen und den Rest Ihres Lebens weitermachen.

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Ehre, wem Ehre gebührt: Dieser Beitrag basiert auf meiner Übersetzung von »Meditation for Beginners: 20 Practical Tips for Understanding the Mind« von Leo Babauta. Das Original: [Meditation Guide] /// Das illustrierende Bildschirmfoto ist mein eigenes Kunstwerk.

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Viele weitere und praxistaugliche Tipps zum Thema gesünderes und glücklicheres Leben stehen in diesem Buch:

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Dienstag, 9. Februar 2016

»Unten durch sein - das kenne ich zur Genüge.« - Ein Gespräch mit Herrn Judas S.


Während ich kürzlich im Fitnesstudio auf dem Laufband, Bruce Springsteen live in Chicago via Kopfhörer in den Ohren, den vierten von zehn Kilometern lief, schweiften meine Gedanken ab und mein Blick umher. Auf einem Ergometer ein paar Schritte links von mir trainierte ein Herr, dessen Name vielen geläufig ist, obwohl sie ihn nie persönlich getroffen haben. Es wurde und wird viel über ihn geredet, aber wer redet mit ihm? Ich beschloss, wenn möglich ins Gespräch zu kommen.

Ob etwas daraus geworden ist, können meine geschätzten Blogbesucher nebenan auf dem Wordpress-Blog erfahren: [https://gjmberlin.wordpress.com/]

P.S.: Das Bild ist ein eigenes Kunstwerk
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Montag, 1. Februar 2016

Ein Gespräch, hauptsächlich über Jessika


Ich bin, das wissen meine regelmäßigen Blogbesucher, ein »Storyteller« - jemand, der gerne und mit großem Vergnügen Geschichten erzählt. Es lag 2015 nahe, dass ich mich am »Storyteller«-Wettbewerb von Amazon und Focus beteiligte. »Jessika« hat den Wettbewerb nicht gewonnen, mir aber immerhin eine Anerkennung in Form eines Jahresabonnements eines führenden deutschen Nachrichtenmagazins (digital und gedruckte Ausgabe) eingebracht.
Aus diesem Anlass und zur Erinnerung an Jessika für alle, die das Buch noch nicht gelesen haben, heute eine eher seltene, gleichwohl faszinierende literarische Form des »Storytelling«: Ein Interview.

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STORYTELLER: Herr Matthia, Ihr Roman »Jessika« ist zwar nicht als Sieger aus dem Storyteller-Wettbewerb 2015 hervorgegangen, aber er wurde immerhin prämiert. Hatten Sie das erwartet?

G. J. MATTHIA: Wenn ich mich bei einem Wettbewerb beteiligt, hoffe ich natürlich, dass dabei etwas herauskommt. Das wird wohl jedem so gehen. Dass »Jessika« unter den fast 900 Teilnehmern den ersten Preis gewinnt, hatte ich allerdings nicht ernsthaft erhofft.

STORYTELLER: Woran lag das? Sie sind doch sicher vom eigenen Werk überzeugt?

G. J. MATTHIA: Eine Freundin, die das Buch letztes Jahr geschenkt bekam, sagte mir kürzlich, dass sie es nach dem ersten Kapitel erst einmal beiseite gelegt hat, um sich von dem Schock zu erholen. »Jessika« ist keine seichte Unterhaltung und sicherlich nicht für jedermann eine geeignete Lektüre. Das sollte die Erzählung auch gar nicht werden.

STORYTELLER: Liegt das an der namensgebenden Protagonistin, die mit Menschenleben nicht gerade zimperlich umgeht?

G. J. MATTHIA: Jessika ist nicht so einfach gestrickt, wie es auf den ersten Blick scheint, das erschließt sich im Lauf des Buches. Ich habe der erwähnten Freundin Mut gemacht, weiter zu lesen, um Jessika besser kennen zu lernen. Und vielleicht sogar ein wenig zu verstehen, warum sie tut, was sie tut.

STORYTELLER: Können Sie die Handlung des Buches eigentlich in einem Satz zusammenfassen?

G. J. MATTHIA: Nein.

STORYTELLER: In zwei Sätzen?

G. J. MATTHIA: Nein. Auch nicht in drei, glaube ich. Es müssten sehr sehr sehr lange Sätze werden.

STORYTELLER: Also ist es ein kompliziertes Buch.

G. J. MATTHIA: Eher komplex als kompliziert. Bruce Springsteen hat am 19. Januar 2016 bei einem Konzert erzählt, was ihn seinerzeit bewegt hat, als das Album »The River« entstand. Er wollte, so sagte er sinngemäß, möglichst viel von dem hineinpacken, was er selbst gerne verarbeiten oder verstehen wollte. Liebe, Freundschaft, Glaube, Sex, Enttäuschung, Hoffnung, Endlichkeit, Unendlichkeit, Freude, Tränen ... so ähnlich war das mit mir beim Schreiben von »Jessika«. Ich habe einige Themenkomplexe erzählerisch behandelt, um zu sehen, ob ich dabei vielleicht Erkenntnisse gewinnen kann. Ist gut immer gut? Ist böse immer böse? Kann aus Bösem Gutes entstehen? Und umgekehrt?

STORYTELLER: Ist es also ein philsosophisches Buch?

G. J. MATTHIA: In erster Linie soll der Roman unterhalten. Ich versuche, den Leser auf den ersten Seiten gefangen zu nehmen und so spannend zu erzählen, dass er bis zum Schluss dran bleibt. Bei der besagten Freundin ist das nicht gelungen - man braucht wohl schon starke Nerven. Aber wer die hat, das habe ich von anderen Lesern erfahren, bleibt tatsächlich bis zur letzten Seite atemlos dabei. Eine spannende Geschichte kann aber sehr wohl Themen aufgreifen, die in unserem wirklichen Leben und für die Philosophen von Bedeutung sind.

STORYTELLER: Hat der Roman eine Botschaft an die Leser?

G. J. MATTHIA: Ich will niemanden belehren oder bekehren. Ich erzähle eine Geschichte. Das Buch stellt anhand von Jessikas Herkunft, Entwicklung und Widersprüchlichkeit unsere menschliche Tendenz zum schnellen Urteil in Frage - wenn das beim Leser hängen bleibt, finde ich das prima. Jessika scheint zunächst nur abgrundtief böse zu sein. Noch böser, als die männermordende Penissammlerin, der sie im ersten Kapitel auf die Schliche kommt. Aber in den nächsten Kapiteln stellt sich immer wieder die Frage, ob Jessika nicht eigentlich etwas Gutes tut ...

STORYTELLER: Wir wollen in diesem Gespräch nicht zu viel vom Inhalt verraten ...

G. J. MATTHIA: Nein, das wollen wir nicht. Und ich bin ja nicht der erste oder einzige, der diese Frage in einem erzählenden Text bewegt. Sie ist beinahe so alt wie die Menschheit. Die Geschichte mit dem Verrat des Judas zum Beispiel - wie hätte Jesus ohne Judas den Weg gehen können, der ihm bestimmt war? Hätte ihn ein anderer Jünger an die Machthaber verkauft? Hatte Judas überhaupt eine Wahl?

STORYTELLER: Ja, die Bibel birgt viele Rätsel und interessante Geschichten. In Ihrem Buch tauchen einige Nephilim auf. Wie kamen Sie darauf?

G. J. MATTHIA: Die Nephilim, die durch Sex zwischen Menschenfrauen und Engeln entstanden sind, wurden in der biblischen Erzählung mit der Sintflut ausgerottet. Allerdings ist die Bibel da nicht ganz konsequent. Das ist bei den vielen Autoren und der Zeitspanne, in der die Texte entstanden, nicht verwunderlich. Die Nephilim werden deutlich später, lange nach der Sintflut, wieder als existierende Lebensform erwähnt. Das hat mich darauf gebracht, mir auszumalen, was wohl wäre, wenn sie heute noch leben würden. Nicht irgendwo in einem unentdeckten Dschungel, sondern mitten unter uns.

STORYTELLER: Was dann wäre, zeigt uns Ihr Roman sehr plastisch und drastisch. Wir gratulieren jedenfalls zur Prämierung und wünschen »Jessika« noch viele möglichst atemlose Leserinnen und Leser. Abschließend noch ein Blick in die Zukunft. Worum geht es in Ihrem nächsten Buch, vorausgesetzt, Sie schreiben weiter?

G. J. MATTHIA: Es gibt ein Projekt, in dem meine Frau und ich von unserem Leben und Empfinden seit der Krebsdiagnose im März 2012 berichten wollen. Wann und ob daraus ein Buch wird, kann ich momentan aber nicht sagen. Solange ich noch zum Broterwerb meiner Arbeit in einem Industriebetrieb nachgehen muss, fällt es mir schwer, die notwendigen Stunden für das Schreiben zu finden, zumal ich seit der Krebserkrankung durch das Fatigue-Syndrom deutlich eingeschränkt bin, was meine Leistungsfähigkeit betrifft. Das Thema lässt sich nicht so nebenbei und zwischendurch bearbeiten.

STORYTELLER: Das ist verständlich - wir wünschen Ihnen weiter anhaltende Gesundheit, hoffen auf künftige spannende Bücher aus Ihrer Feder und danken für das Gespräch.

G. J. MATTHIA: Vielen Dank meinerseits an die Veranstalter des Wettbewerbes und besonders alle Leser meiner Bücher!

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Das Buch, um das es geht, bekommt man hier: