Samstag, 17. September 2016

Die morgigen Klagelieder

eleIch weiß schon heute, welche Klagelieder die Vertreter der herkömmlichen Parteien morgen nach der Berliner Wahl anstimmen werden. Die Wähler werden nicht verstanden haben, welche Inhalte und Programme die Herren und Damen Parteivertreter so hatten. Es wird ihnen nicht gelungen sein, dem Wähler und der Wählerin zu vermitteln, für welch wunderbare Pläne sie mit ihrer Person gestanden hätten.

Doch diese vorhersehbaren Klagelieder sind falsch. Ganz falsch.

Die Wähler verstehen sehr wohl, dass für eine unendliche Baustelle namens Flughafen Milliarden Euro zur Verfügung stehen, während beispielsweise die Schulgebäude in einem so jämmerlichen Zustand sind, dass sie zum Teil sogar gesperrt werden müssen. Die Wähler begreifen schon, dass die Politiker zuerst an ihre Wiederwahl, ihre Diäten und all die lukrativen Nebenverdienstquellen denken und dann vielleicht auch noch, falls Zeit bleibt, an die Anliegen der Bürger. Die Wähler sind sich bewusst, dass  unter anderem die Verantwortlichen für das Misslingen des Flughafenprojektes selbstverständlich auf freiem Fuß und ohne finanzielle Einbußen ihr Leben genießen, während einem Otto Normalverbraucher immer höhere Kosten, ob nun für das Parken oder für die öffentlichen Nahverkehrsmittel, aufgebürdet werden. Und so weiter.

Liebe Politiker, wir sind nicht dumm. Wir haben verstanden. Mehr als Ihr wahrscheinlich wolltet. Und genau deshalb wählen wir immer seltener CDU, SPD, die Grünen oder gar die SED – pardon, ich meine die PDS – ach nein, die heißen ja zurzeit »Die Linke«.

Die SPD steht nicht mehr für die einstigen Grundwerte der (ehemaligen Arbeiter-)Partei, die CDU genauso wenig (das war mal eine Partei der christlich-abendländischen Kultur), und bei den Grünen zeigt sich immer deutlicher die Wirkungslosigkeit bezüglich deren einstigem Kernthema Umweltschutz und gesunde Lebensbedingungen. Die Folge ist politische Heimatlosigkeit wohin man blickt. Es treten kleine Gruppierungen mit großartigen Zielen zur Wahl an, die keine Chance haben werden, ins Parlament einzuziehen. Die Ziele entstammen, wenn man genau hinschaut, überwiegend den Bereichen, die einst in den etablierten Parteien zum Fundament gehörten. Aber die Minigruppierungen sind chancenlos.

Dass davon die AfD profitiert, und sei es auch nur in Form von Proteststimmen, darf nicht verwundern. Alle Selbstbemitleidung von CDU, SPD und Grünen wird nichts daran ändern, dass diese Parteien einen großen Teil ihrer einstigen Stammwähler mutwillig vertrieben haben. Mich eingeschlossen. Und sogar die umbenannte SED scheint den Voraussagen zufolge ihre Stammwählerschaft im Osten einzubüßen.

Und die Freidemokraten? Ja ja, die FDP. Die war lange weg (weil sie genau das gleiche getan hatte) und versucht nun, wieder ins Parlament einzuziehen. Mit Ideen und Plänen, die endlich wieder freidemokratisch klingen wie einst Genscher, Baum, Scheel … zumindest in Berlin scheint die FDP sich wieder auf ihre Geschichte besonnen zu haben. Ob die Stimmen allerdings für einen Einzug ins Parlament reichen werden, scheint zweifelhaft.

Schuld wird morgen Abend der Wähler sein, der nicht begriffen hat, was die Parteien ihm Gutes tun wollten.