Mittwoch, 21. März 2018

Lukas! (Teil 2)

Dieser Teil 2 ist eigentlich Teil 1, denn Teil 1 war die Einleitung. Das Vorwort. Alles klar? Nein?

Na dann: Hier steht Teil 1 und damit auch, worum es geht: [Lukas! (Teil 1)].

---

Einer der Priester zur Zeit des jüdischen Königs Herodes war Zacharias, seine Frau hieß Elisabeth. Sie waren aufrichtige Menschen und ihr tadelloser Lebenswandel entsprach den Geboten und Satzungen der jüdischen Religion. Sie hatten keine Kinder, weil Elisabeth unfruchtbar war – was gesellschaftlich als schlimmer Makel galt. Beide waren alt geworden und hatten sich mit ihrem Schicksal einigermaßen abgefunden.

Eines Tages wurde Zacharias nach dem Brauch der Priesterschaft ausgelost, in den Tempel zu gehen und dort das Rauchopfer darzubringen. Die versammelten Gläubigen blieben währenddessen draußen und beteten. Zacharias verrichtete wie üblich seinen Dienst, als aus dem Nichts ein Engel auf der rechten Seite des Rauchopferaltars erschien. Bei seinem Anblick erschrak Zacharias, aber das Wesen beruhigte ihn: »Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet wurde erhört. Deine Frau Elisabeth wird einen Sohn zur Welt bringen, dem du den Namen Johannes geben sollst. Nicht nur du wirst deine Freude an dem Kind haben, auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen. Euer Sohn wird vor Gott und für Gott ein ganz besonderer Mensch sein. Er wird sein Leben lang weder Wein noch andere alkoholische Getränke genießen und schon von Geburt an mit Gottes Geist erfüllt sein. Viele Israeliten wird er zu ihrem Gott zurückführen. Er ist es, der von göttlichem Geist geleitet vor dem Messias[i] auftreten wird, und zwar mit einer Kraft wie seinerzeit Elia, um die Herzen der Väter den Kindern wieder zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Umkehr zu bewegen, damit das Volk auf den Erretter vorbereitet wird.«

Die überraschend lange Ansprache konnte Zacharias allerdings nicht überzeugen. Er fragte den unerwarteten Besucher: »Ein Sohn? Wie soll ich das für möglich halten? Ich bin schließlich ein alter Mann und meine Frau ist auch schon betagt.«

Was der Engel antwortete, klingt leicht pikiert: »Ich bin Gabriel, der als Diener vor Gottes Angesicht steht! Ich wurde hierher gesandt, um zu dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu verkündigen. Hör jetzt gut zu: Weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, wirst du stumm sein und nicht reden können bis alles eintrifft. Was ich gesagt habe, wird in Erfüllung gehen.«

Die Gläubigen warteten unterdessen draußen und wunderten sich darüber, dass Zacharias so ungewöhnlich lange im Tempel blieb. Als er dann endlich heraustrat, konnte er nicht mit ihnen reden. Sie merkten ihm an, dass er eine Erscheinung im Tempel gesehen hatte. Er seinerseits versuchte, sich ihnen durch Gesten verständlich zu machen, blieb aber stumm.

Als die sieben Tage seines regulären Priesterdienstes zu Ende waren, kehrte er heim. Kurz darauf wurde seine Frau Elisabeth schwanger. Sie zog sich fünf Monate völlig zurück, damit ihre Schwangerschaft nicht überall zum Gesprächsthema wurde. Innerlich freute sie sich aber außerordentlich: »Das hat der Herr mir geschenkt! Er hält endlich den richtigen Zeitpunkt für gekommen. Jetzt wird mich niemand mehr als minderwertig ansehen.«

–—

Ein paar Monate nach der Episode im Tempel wurde der gleiche Engel von Gott nach Galiläa in die Stadt Nazareth gesandt, und zwar zu einer Jungfrau, die mit Joseph, einem jungen Mann aus der Nachkommenschaft Davids, verlobt war. Das Mädchen hieß Maria. Der Engel trat bei ihr ein und sprach sie an: »Sei gegrüßt, du Auserwählte. Der Herr ist mit dir!«

Maria konnte sich nicht erklären, was dieser Gruß bedeuten sollte und war natürlich, ähnlich wie Zacharias im Tempel, erschrocken über die unerwartete Erscheinung. Sie blieb stumm.

Da sie offenbar nicht sagen wollte, fuhr der Engel schließlich fort: »Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden! Du wirst schwanger werden und Mutter eines Sohnes, dem du den Namen Jesus geben sollst. Dein Junge wird ein ganz herausragender Mensch sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vorfahren David anvertrauen. Er wird in alle Ewigkeit als König über das Volk Israel herrschen, für sein Königtum wird es kein Ende geben.«

Auf diese Ankündigung hin fragte das Mädchen irritiert: »Wie soll das möglich sein? Ich schlafe doch mit keinem Mann!«

Gabriel war angesichts der Zweifel nicht so unwillig wie bei Zacharias. Er erklärte geduldig: »Heiliger Geist wird über dich kommen – die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird man auch das Heilige, das von dir geboren wird, Gottes Sohn nennen. Hör zu: Deine Verwandte Elisabeth ist trotz ihres hohen Alters mit einem Sohn schwanger und zwar schon im sechsten Monat. Du weißt ja, dass man sie unfruchtbar nennt. Bei Gott ist aber nichts unmöglich.«

Bescheiden erwiderte Maria: »Ich will Gott gerne dienen. Ich bin einverstanden mit dem, was du mir verkündet hast.«

Daraufhin entfernte sich der Engel.

–—

Ein paar Tage später machte sich Maria neugierig auf den Weg und wanderte in das angrenzende Bergland, wo Zacharias und seine Frau wohnten. Maria trat ein und begrüßte Elisabeth. Als Elisabeth den Gruß hörte, bewegte sich das Kind in ihrem Leib besonders lebhaft. Elisabeth wurde mit heiligem Geist erfüllt und brach in lauten Jubel aus: »Gepriesen bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes! Warum wird mir das Glück zuteil, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Als ich den Klang deines Grußes hörte, hüpfte mein Kind geradezu vor Freude. Die Verheißungen, die der Herr uns beiden gegeben hat, werden in Erfüllung gehen!«

Sinngemäß antwortete Maria darauf, dass sie sich unbändig freute, sowohl über die Worte von Elisabeth, als auch darüber, dass Gott ausgerechnet sie ausgesucht hatte.[ii]

Maria blieb etwa drei Monate bei Elisabeth und kehrte schließlich in ihr Haus zurück, kurz bevor Elisabeth wie vorausgesagt Mutter eines Sohnes wurde.

–—

Nach der Geburt hörten auch die Nachbarn und Verwandten, dass Gott so barmherzig mit Elisabeth gewesen war. Alle freuten sie sich mit ihr. Am achten Tag kamen sie zur rituellen Beschneidung des Jungen und wollten ihm dem Namen seines Vaters Zacharias geben. Aber Elisabeth wehrte ab: »Nein, er soll Johannes heißen!«

Damit war die Festgesellschaft nicht einverstanden: »In deiner Verwandtschaft gibt es niemanden, der diesen Namen führt.«

Sie wollten nun vom Vater, an dessen Stummheit seit dem unheimlichen Erlebnis im Tempel man sich mittlerweile gewöhnt hatte, erfahren, wie er das Kind nennen wollte. Zacharias bat um ein Täfelchen und schrieb: Johannes ist sein Name!

Es war üblich, dem ersten Sohn einer Familie den Namen des Vaters oder zumindest einen Namen zu geben, der im Stammbaum vorkam. Daher waren die Versammelten außerordentlich verwundert über diesen Namen für den Jungen. In diesem Augenblick wurde der Bann des Stummseins von Zacharias genommen. Seine Zunge löste sich. Er konnte wieder reden und pries Gott.[iii]

Dann wedete Zacharias sich seinem Sohn zu: »Du, kleiner Junge, wirst ein Prophet des Höchsten genannt werden. Du wirst vor dem versprochenen Erretter her gehen, um ihm die Wege zu bereiten, damit sein Volk das Heil erkennen kann, das den Menschen durch die Vergebung ihrer Sünden geschenkt wird. Unser Gott erbarmt sich so herzlich, damit diejenigen Licht erhalten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen. Gott will unsere Schritte auf den Weg des Friedens leiten.«

Die Nachricht von der Geburt eines so spät empfangenen Kindes und von den seltsamen Begleitumständen bei der Namensgebung verbreitete sich in Windeseile. Eine spürbare Ehrfurcht machte sich in der Nachbarschaft breit. Im Bergland von Judäa wurde über diese Begebenheiten immer wieder gesprochen und die Geschichte wurde weitererzählt. Alle, die davon hörten, nahmen sich die Ereignisse zu Herzen. Viele fragte sich: Was wird wohl aus diesem Johannes werden? Viele, die mit der Familie und besonders dem Kind Kontakt hatten, spürten Gottes Gegenwart.

---

Fortsetzung? Bitte sehr, hier entlang: [Teil 3]

Hier noch die Fußnoten:


[i] Der Begriff Messias (hebräisch משיח Maschiach oder Moschiach, aramäisch Meschiah, in griechischer Transkription Μεσσίας, ins Griechische übersetzt Χριστός Christós, latinisiert Christus) stammt aus dem Tanach und bedeutet Gesalbter. Er wird im biblischen Kontext vor allem als Bezeichnung für den rechtmäßigen, von Gott eingesetzten König der Juden verwendet. (Quelle: Wikipedia)

[ii] Lukas hat an dieser Stelle seines Berichtes Loblieder aus den heiligen Schriften seines Volkes nachgedichtet. Er greift sowohl wörtlich als auch indirekt Formulierungen aus den Psalmen und den Prophetenbüchern auf. Er hat das in poetische Worte gekleidet: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter, weil er die Niedrigkeit seiner Magd angesehen hat! Von nun an werden alle Generationen mich selig preisen, weil der Allmächtige Großes an mir getan hat. Ja, heilig ist sein Name, und sein Erbarmen schenkt er über alle Generationen hinweg denen, die ihn fürchten. Er wirkt seine Kraft aus mit seinem Arm, er zerstreut, die in ihren Herzen hochmütig sind, er stürzt Regierende aus ihrem Amt und erhöht Niedrige; Hungrige macht er satt und lässt Reiche leer ausgehen. Er hat sich Israels angenommen, seines Dieners, um der Barmherzigkeit zu gedenken, wie er es unsern Vorfahren verheißen hat, dem Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.

[iii] Lukas hat auch Zacharias einen ausgedehnten und poetischen Lobgesang in den Mund gelegt, der auf den heiligen Schriften, den überlieferten Psalmen und Prophetenbücher Israels, beruht. Lukas berichtet, dass Zacharias mit heiligem Geist erfüllt wurde und dann prophetische Worte aussprach: Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk gnädig angesehen und ihm eine Erlösung geschaffen. Er hat uns eine Posaune geschenkt, die seinen Sieg verkündet. Das hatte er durch den Mund seiner heiligen Propheten seit unermesslichen Zeiten vorausgesagt: retten will er uns von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen. Damit zeigt er unseren Vorfahren gegenüber Barmherzigkeit. Er hat seinen heiligen Bund nicht vergessen! Er erinnert sich an den Eid, den er unserm Vater Abraham geschworen hat, dass er uns aus der Hand unserer Feinde erretten wird und uns in die Lage versetzt, ihm furchtlos in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen unser Leben lang nachzufolgen.

P.S.: Bild (gemeinfrei) von Morguefile.

.